Schottland

10. September 2018 – 24. September 2018:

Auf dem Weg zum Hafen, um die Fähre nach Schottland zu erwischen, fing uns Harry, ein lokaler Fahrradenthusiast ab und zeigte uns netterweise den Weg zum Fährenhafen. Die Fähre kam pünktlich nach 2.5 Stunden in Cairnryan an. Nach der Ankunft in Schottland regnete es ununterbrochen und wir fanden nur in einer kleinen Busstation einen trockenen Unterschlupf für eine kurze Pause. Am ersten Abend in Schottland mussten wir nach fast vier Monaten das erste Mal unsere Zelte unter Regenfall aufstellen. Überrascht waren wir keineswegs, denn fast jeder Schottlandbesucher kennt das unberechenbare und nasse Klima.

Über das Portal Warmshowers fanden wir Boris, der uns ein Dach über dem Kopf anbot für die Zeit, die wir in Glasgow verbrachten. Boris begrüsste uns freundlich und erzählte uns seine Fahrraderfahrungen aus dem asiatischen Raum.

Für Schottland nahmen wir uns seit langem vor, eine Whiskybrennerei anzuschauen. Unsere Wahl fiel auf Auchentoshan, welche eine der einzigen Brennereien mit einer Dreifachdestillation ist. Während der Führung lernten wir viel Neues über das traditionelle Handwerk und durften zum Schluss ein Gläschen des teuren Getränks degoutieren.

Bis wir aus Glasgow rauskamen, dauerte es eine Weile und der anschliessende Fernradweg führte uns an einem ruhigen Fluss entlang. Bald erreichten wir ländliche Regionen und somit den Loch Lomoch (Loch bedeutet See in der Gälischen Sprache), welcher der grösste See Schottlands ist. Bei einer Pause kamen wir mit zwei Südengländer ins Gespräch, die fast zwei Wochen in Schottland rumgeradelt sind.

Ausserdem wechselten wir von den Lowlands in die Highlands und durften schon die ersten Hügel erklimmen. Von Glasgow führt der Fernwanderweg «West Highland Way» über 154 km nach Fort William und durchquert die schöne Berglandschaft. Viele Wanderer und Outdoorbegeisterte, welche diesen Trail absolvieren, kreuzten unseren Weg.

Die Passstrasse führte uns durch märchenhafte und zugleich karge Landschaften. Viele Touristen, ob zu Fuss oder mit dem Auto, begegneten uns und wir fuhren der sich hinaufschlängelnden Strasse entlang. Bevor es wieder runter nach Fort William ging, erlebten wir wiedermal starken Gegenwind und der Regen liess ebenfalls nicht lange auf sich warten. In Fort William entschieden wir uns die Route abzuändern und das Loch Ness vorläufig in Ruhe zu lassen. Die neue Route soll uns weg von den Touristenströmen und mehr in die Natur des Cairngorms Nationalpark führen.

Vorbei an schönen, farbenfrohen Landschaften und mehreren Seen fuhren wir in den Cairngorms Nationalpark. In Aviemore suchten wir uns einen schönen Campingplatz inmitten des Nadelwaldes, um einen guten Ausgangspunkt für eine kleine Wanderung zu haben. Aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel fuhren wir per Anhalter zum Loch Morlich und starteten unsere Wanderung in die umliegenden Berge. Schon bald bewahrheitete sich der starke Wind des Wetterberichts, den wir vor dem Verlassen des Campingplatzes studiert haben. Auf dem Grat zwischen den 600-700 m hohen Gipfeln, blies der Wind zwischen 80-100 km/h und die Umgebungstemperatur fühlte sich winterlich an. Vom höchsten Gipfel konnten wir ein Wetterspektakel der Superlative beobachten und sahen den Regen regelrecht auf uns zukommen. Zurück auf dem Camping genossen wir eine heisse Dusche und entspannten im Zelt.

Unsere angepasste Route führte uns weiterhin durch den grössten Nationalpark des Vereinigten Königreichs. Die vielen Hügel und Berge mit spärlicher Vegetation beeindruckten uns aufs Neue. Bisher liessen die erwarteten Steigungen in den Highlands auf sich warten. Kaum hatten wir diesen Gedanken diskutiert, wurden wir so richtig gefordert: Mehrere steile Anstiege (zum Teil über 20%) mussten unter starkem Gegenwind gemeistert werden und führten uns auf den bisher höchsten Pass der Reise. Die Talstation des Lecht Skigebietes markierte diesen Punkt mit über 750 m.ü.M. Das für Schweizer Verhältnisse eher bescheidene Skigebiet liessen wir hinter uns und suchten in Ballater einen Campingplatz. Während dem Pausentag in Ballater entspannten wir den ganzen Tag und unternahmen ausnahmsweise nichts, führten jedoch unser ersten Radiointerview mit Radio Sunshine. Einen solchen Faulenztag gab es auf dieser Reise erst ein einziges Mal.

Nach einer stürmischen Nacht schien es am Morgen, als wäre eine Wetterbesserung in Sicht. Während dem Frühstück fing es dann trotzdem stark an zu Regnen und hörte bis kurz vor der Mittagspause nicht mehr auf. Auf dem Weg zur schottischen Ostküste wurde der Wind immer stärker, je näher wir uns dem Meer näherten. Der Wind peitsche uns den Regen ins Gesicht und wir versuchten mit schmerzverzehrten Gesichtern die Motivation nicht zu verlieren. Aufgrund des katastrophalen Wetters, assen wir Burger und Pommes in einem Restaurant. Dort erfuhren wir vom Sturm Ali, der zurzeit über Grossbritannien und Irland fegt.

Das Dunnottar Schloss ist eine der imposantesten und faszinierendsten Ruinen Schottlands und stand als nächstes auf dem Programm. Aufgrund des Sturms war es allerdings geschlossen und wir konnten die Ruine auf der Halbinsel nur von Weitem betrachten. Auf der Weiterfahrt erreichte der Wind seine Maximalgeschwindigkeit und wir konnten uns kaum mehr auf den Rädern halten. Zeitweise mussten wir sogar anhalten um nicht im Strassengraben zu landen, da der Wind teilweise von vorne und anschliessend von der Seite blies. Dazu kam, dass wir zum Teil so unkontrolliert seitlich schwanken und dadurch extrem nahe an die vorbeifahrenden Fahrzeuge kamen. Nach einigen Diskussionen, wichen wir auf eine Nebenstrasse aus und so erreichten wir im Zeitlupentempo das Dorf Inverbervie. Auf der Suche nach einem windgeschützten Platz für unsere Zelte, fragten wir einen Einwohner, ob es wohl möglich wäre im öffentlichen Spielplatz zu campen. Er meinte, dass es wohl niemand stören würde. Als wir jedoch fünf Minuten später noch immer unentschlossen dastanden, lief der Mann nochmals vorbei. Er hatte wohl Mitleid mit uns und schlug uns vor, in seinem Garten zu campen. Als wir die Zelte aufgestellt hatten, brachte er uns sogar noch selbstgemachte Sandwiches.

Nach einer stürmischen Nacht, erwachten wir zu strahlender Sonne und blauem Himmel. Sturm Ali war allerdings noch präsent, jedoch in einer abgeschwächten Version. Wir kämpften uns entlang der wunderschönen Küste in Richtung Süden. Einsame Sandstrände und Felsen zierten die Küstenlandschaft. Wir kamen nur langsam voran und der starke Gegenwind zehrte an unseren Energiereserven. An vielen Orten lagen ganze Äste herum und einige Gartenzäune verneigten sich vor dem Sturm. Nach der Mittagspause liess der Wind nach und uns fiel das Radfahren wieder einiges einfacher. Unsere letzte Nacht im Zelt mit Joel verbrachten wir in einem Waldstück, direkt neben einem sich selber überlassenen Haus.

Schnell erreichten wir Perth, die ehemalige Hauptstadt Schottlands und überquerten den Fluss Tay. Wir durchquerten schöne Landschaften mit vielen Hügeln und erreichten am Nachmittag die Forth Bridge. Die im Jahre 1890 gebaute Eisenbahnbrücke galt als die Auslegerbrücke mit der grössten Spannweite bei der Eröffnung und ist immer noch die Nummer zwei weltweit. Nach dem Bezug des Hostelbetts in Edinburgh, trafen wir Joels Vater Armin, der uns für das Wochenende besucht. Beim anschliessenden «all-you-can-eat» Abendessen, überassen wir uns alle masslos und schafften es gerade noch knapp zurück zur Herberge.

Um einen besseren Überblick der Hauptstadt Schottlands zu bekommen, wanderten wir zu den Salisbury Crags, welche die Stadt vom Hausberg, dem Arthur’s Seat abtrennen. Vom Hügel aus konnte man die Meeresmündung und die gesamte Stadt bestaunen. Am Nachmittag besichtigten wir das Edinburgh Castle, eines der Highlights in Schottland. Die imposante auf dem Castle Rock stehende Burg enthält mehrere Museen, welche geschichtliche sowie politische Hintergründe mit vielen Reliquien darstellt. Der Hausberg sowie der Castle Rock sind vulkanischen Ursprungs und prägen das Stadtbild entscheidend. Als Abwechslung zu unserer Pasta-Diät suchten wir ein uns empfohlenes einheimisches Restaurant auf. Einige von uns trauten sich Haggis, eine schottische Spezialität auszuprobieren, welche aus einem mit Herz, Leber, Lunge und anderen Zutaten gefüllten Schafsmagen besteht.

Nach 7352 km und vier Monaten verabschiedeten wir uns von Joel. Wir haben den gemeinsamen Start ins Cape2Cape Abenteuer genossen. Zusammen mit Armin nahm er den Zug nach Paris und wird anschliessend zurück nach Buchrain mit dem Fahrrad fahren. Seit Edinburgh begleitet uns ausserdem Nicole, eine Freundin aus Deutschland, mit einem Mietauto.

Nur noch zu zweit verliessen wir Edinburgh und mussten uns zuerst an die ungewohnte Zweisamkeit gewöhnen. Angst dafür zu wenig Zeit zu haben, mussten wir auf jeden Fall keine haben. Ein Blick auf die verbleibende Strecke sollte genügen. Kurz nachdem wir Edinburgh hinter uns liessen, erreichten wir immer ländlichere Gegenden und weniger befahrene Strassen. Die Nebenstrassen stiegen stetig an und nach einigen steilen Stücken erreichten wir den höchsten Punkt mit Meerblick. Die Abfahrt führte uns durch wunderschöne Hügellandschaften und wir überquerten viele Bäche und erreichten teilweise fast 70 km/h. Nach einer grossen Brücke über den Grenzfluss verliessen wir Schottland und gelangten wieder nach England.

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