Mauretanien

5. Januar – 20. Januar 2019:

Kaum am Mauretanischen Zoll angekommen, half uns ein junger englischsprechender Maure mit dem Visaprozess und alles ging viel schneller als erwartet. Die Visumsstelle machte gerade Pause und wir durften uns jedoch als erste in die Reihe stellen. Wir plauderten mit den anderen Reisenden und wimmelten die vielen SIM-Karten Verkäufer und Geldwechsler erfolgreich ab. 110 Euro leichter und mit unserem ersten Afrikavisum im Pass, fuhren wir weiter in die Leere der Wüste und stellten unser Zelt hinter eine Sanddüne.

Kurz nachdem wir erwacht waren, fing der Boden an zu beben und wir wussten was der Auslöser war. Mauretanien ist bekannt für die rekordlangen Eisenerzzüge die von der Miene im Landesinnern an die Küste führen. Sofort kletterten wir halb nackt aus dem Zelt, um den uralten Zug zu sehen. Es befanden sich neben dem Erz auch viele Leute und Ziegen auf den Waggons.

Nachdem wir gestern schon einen der anstrengenderen Tage absolviert hatten, war uns der Wind auch heute nicht positiv gestimmt. Wir kämpften gegen den starken Gegenwind und kamen mit weniger als 15km/h vorwärts. Bei einigen Häusern fragten wir nach Wasser und wurden prompt zu Tee und einer warmen Speise eingeladen. Einige der jungen Männer sahen wir bereits an der Grenze und einer verkaufte uns sogar eine seiner SIM-Karten. Wenig später stand plötzlich Jorge, den wir kurz vor Dakhla kennengelernt hatten am Hauseingang. Wir hatten nette Gespräche mit ihm und den Jungs, schossen ein paar Gruppenfotos und stiegen wieder auf unsere Drahtesel, jedoch in unterschiedliche Richtungen. Kaum losgefahren hielt eine einheimische Frau mit ihrem Auto an und übergab uns zwei Flaschen Wasser und einige Mandarinen, welche wir dankend annahmen. Die Landschaft um uns herum passte nun auch besser zu unseren Vorstellungen der Wüste. Hohe Sanddünen türmten sich auf und weit und breit war niemand zu sehen, nicht einmal mehr Hirten mit ihren Tieren.

Da es in der Sahara in den kleinen Siedlungen keine Wasserquellen gibt, hat es vor allem in Mauretanien riesige mit Wasser gefüllte Kissen. Diese werden von Lastwagen regelmässig gefüllt, damit die Bevölkerung genügend Wasser hat.

Bis am Nachmittag wurden wir vom Wind ausgebremst, bevor dieser langsam nachliess. Wir suchten in drei verschiedenen Siedlungen und fanden weder Brot noch Sauce für unsere Pasta. Am letzten Ort des Tages wurden wir schliesslich in einer relativ grossen Bäckerei fündig und kauften uns gleich sechs riesige Baguette.

Wir realisierten bald, dass die Leute in Mauretanien klar mit weniger finanziellen Mitteln durchkommen mussten als die Marokkaner. Dies obwohl das Land Reich an Ressourcen ist. Die meisten Produkte müssen von weither importiert werden und somit sind die Preise für Lebensmittel im Vergleich zum Einkommen extrem hoch. Es werden vor allem Lebensmittel, Zement und Fertigprodukte aller Art importiert und Gips und Tierhäute exportiert.

Der Umgang mit der Mauretanischen Währung (Ougiey) war zu Beginn nicht einfach, da bei allen Preisen eine Null gestrichen wurde. Somit waren wir immer verwirrt und mussten zusätzlich zum Wechselkurs diese Rechnung integrieren.

Beim Abendessen fragten wir nach dem Preis bevor wir definitiv bestellten. Der von uns verstandene Preis klang zu gut um wahr zu sein und wir freuten uns schon günstig essen zu können. Beim Bezahlen stellte sich heraus, dass eine Null fehlte und es eigentlich teuer gewesen wäre. Nach einer 20-minütigen Diskussion einigten wir uns auf die Hälfte und bezahlten sechs Euro für eine grosse Portion Teigwaren mit Karotten, Ziegenfleisch und Tee. Weder Tee noch Fleisch wurde von uns bestellt und die Sprachbarriere war wiedermal omnipräsent.

Fabian bemerkte plötzlich, dass seine Gepäckträgerbefestigung auf der einen Seite gebrochen war. Die Situation wurde mit Kabelbinder provisorisch gerettet und wir begaben uns auf die Strasse mit starkem Seitenwind. Die Landschaft wurde heute noch sandiger und der Wind blies den Staub inklusive Sandkörner voll an uns und unserer Fahrräder. In den letzten Tagen stiegen die Temperaturen in der Nacht, sowie am Tag deutlich an. Darum schwitzten wir immer mehr und dank dem Schweiss wurden wir regelrecht paniert.

Links und rechts konnte man dank den Hügeln kilometerweit sehen und die Farben der verschiedenen Dünen waren grossartig.

Ein paar Jungs die bei der Installation einer neuen Satellitenschüssel an einer grossen Antenne beschäftigt waren, schenkten uns Wasser und luden uns auf einen Tee ein. Wie wir herausfanden trinkt man in Mauretanien immer drei Tee und dies taten wir auch bei interessanten Gesprächen.

Obwohl wir teilweise über 100 km von der Küste entfernt waren, war die Umgebung erstaunlicherweise voll mit Muschelkalk. Schön anzuschauen, aber als Unterlage für das Zelt sehr ungeeignet.

Später kamen wir näher an die Küste und am Strassenrand wurden die ersten Fische getrocknet und verkauft. Die meisten Leute leben in sehr einfachen Häuser oder sogar nur Baracken aus Holz, Wellblech oder was man sonst noch so finden kann an günstigen Baumaterialien. 35km vor der Hauptstadt Nouakchott, wollten wir nochmals unsere Wasserflaschen füllen und fragten bei einer Familie die in ihrem kleinen Laden sass. Wie üblich füllten wir die Flaschen aus einem riesigen mit Wasser gefüllten Kissen, welche jede Siedlung besitzt. Die Familie lud uns auf drei Tee ein und fragte scheu wohin wir fahren.

In der Millionenstadt Nouakchott trafen wir Warren, unser Warmshowers Gastgeber für die nächsten Tage. Er ermöglichte uns eine Dusche, welche wir nach zehn Tagen dringend nötig hatten und kochte netterweise eine grosse Portion Teigwaren. Wir hatten nette Gespräche über Land und Leute und genossen das Dach über dem Kopf.

Wir besichtigten den bekannten Fischmarkt am Strand und den zweitgrössten Hafen des Landes. Hunderte farbenfrohe Fischerboote in verschiedenen Grössen wurden an Land gebracht. Traditionellerweise singen die Fischer, die vorwiegend aus dem Senegal oder anderen westafrikanischen Ländern sind, eine Art Lied während die Boote mit aller Kraft aus dem Wasser geschoben werden.

Nach mehr als zehn Fischbrötchen liefen wir durch die von Gegensätzen geprägten Strassen der Hauptstadt. Wir sahen Leute in Zelten ohne fliessendes Wasser und Strom und nebenan Villen die mit Rasen und Palmen ausgestatten sind. Zur Zeit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1960 lag die Einwohnerzahl Nouakchotts noch im vierstelligen Bereich. Durch Landflucht infolge Dürreperioden und Wirtschaftskrisen erhöhte sich die Zahl deutlich. Die Wohnsituation ist unterdurchschnittlich und die meisten Menschen wohnen in Billigunterkünften. Nur wenige Haushalte haben einen direkten Wasseranschluss. Aufgrund unzureichender sanitären Anlagen und schlechter Wohnqualität, stehender Wasserflächen stiegen die Malariafälle in den letzten Jahren in der Hauptstadt.

Gegen den Mittag verliessen wir die Wohnung von Warren ungewohnt mit einem kleinen Rucksack anstatt mit dem Fahrrad. Wir wollten das Landesinnere von Mauretanien zu Fuss erkunden und uns eine Pause von den Rädern gönnen. Wir liefen den weiten Weg zur Strasse die nach Atar führt. Dort streckten wir unser selbstgebasteltes Schild aus Karton, welches mit dem Zielort in Arabischen Buchstaben beschriftet war, jedem kommenden Fahrzeug entgegen. Nach kurzer Zeit stoppte ein netter Einheimischer und nahm uns mit. Er kaufte uns sogar noch Proviant für die Reise und setzte uns bei einem Polizeiposten ab. Von da meinte er, dass wir innerhalb von einigen Minuten einen Gratistransport zum 400km entfernte Atar finden werden. Einige Stunden später waren wir immer noch dort und es war dunkel. Wir entschieden uns gleich dort zu übernachten und am nächsten Morgen das Geschehen selber in die Hand zu nehmen. Die netten Polizisten luden uns sogar zum Abendessen ein.

Nachdem die Polizei nicht erfolgreich war uns mit dem Autostopp-Projekt zu helfen, liefen wir ein wenig weiter und setzten unsere Suche fort. Gleich das erste Auto nahm uns mit und wir waren immerhin 270 km weiter. Unsere Vermutung war, dass die Polizisten nur direkte Verbindungen nach Atar für uns gesucht hatten und darum nicht erfolgreich waren.

Der Sohn des Fahrers im Teenageralter setzte bei einer Pause ohne Aufforderung eine Teekanne auf ein paar glühende Kohlestückchen und kochte so das Teewasser auf. Dieser Vorgang wiederholte sich wie üblich dreimal und wir setzen unsere Fahrt fort. Im Minendorf, welches das Heimatdorf der beiden war, fanden wir ein paar Jungs die uns ein paar Kilometer mitnahmen und danach zwei Männer für den Rest der Strecke. Mit einer Höllengeschwindigkeit brachte uns der letzte Fahrer zum Ziel. Die Landschaft änderte sich zum Schluss der Fahrt und die grüne Steppe wurde von Felsen abgelöst. Trotz der rasanten Geschwindigkeit sahen wir einen Fahrradfahrer entgegenkommen. Es stellte sich heraus, dass es Jörg war, den Schweizer welchen wir in Dakhla getroffen haben.

In einem Hostel besuchten wir Kenneth und Inga, zwei Freunde die wir auch in Dakhla kennengelernt hatten und versuchten danach eine Mitfahrgelegenheit nach Chinguetti zu finden. Leider fand die Polizei unser nächtliches per Anhalter-Reiseprojekt nicht so toll und brachte uns in eine Pension für die Nacht.

In der Pension lernten wir eine Gruppe Franzosen kennen, die mit einem Lastwagen unterwegs waren und uns ein Stück in Richtung Chinguetti mitnehmen konnten. Den zweiten Teil konnten wir auf der Ladefläche eines Jeeps mitfahren, welcher uns im Eiltempo zum Zielort brachte. Nach einem Marsch über die Sanddünen und Besichtigung des älteren Teils der Stadt, trafen wir Kenneth und Inga am Abend. Bei einem köstlichen Abendessen unterhielten wir uns über Reisen und unsere nächsten Ziele.

Wir gönnten uns einen Tag Ruhe und genossen die entspannte Atmosphäre des historischen Dorfes. Chinguetti zählt als 7. Heiligste Stadt des Islam und war einmal eine florierende Handelsstadt. Wir entschieden uns die Nacht in den Sanddünen zu verbringen nur mit dem Schlafsack unter den Sternen.

Wir kauften uns frisches Baguette und warteten beim Dorfausgang auf eine Transportmöglichkeit zurück nach Atar. Nach etwa zwei Stunden nahm uns ein Jeep mit und wir erreichten die kleine Stadt relativ schnell. Auf den teilweise kurvigen Strassenabschnitten beteten die Frauen hinter uns immer lauter einen Psalm und wir amüsierten uns köstlich über das Geschrei und die dazugehörenden Spuckgeräusche. Zum Ausgangsort des bekannten Eisenerzzuges lagen noch etwas über 100 km vor uns. Eines der ersten Autos hielt, aber konnte uns nur ein Stück mitnehmen. Chikali, der nette Einheimische, lud uns zugleich zum Tee und Essen mit seiner Familie ein. Zufälligerweise besitzt er ein Transportunternehmen und reservierte uns zwei Plätze nach Schum im nächsten Bus. In Schum nervten uns die lokalen Kinder mit wiederholten: «Monsieur cadeux» währenddessen wir auf den Zug warteten.

Der 2.5 km lange, uralte Güterzug traf dann schliesslich mit vierstündiger Verspätung ein. Wir kletterten auf einen der offenen, mit Eisenerz gefüllten Waggon und richteten uns einen Schlafplatz auf dem ziemlich unbequemen Eisenpulver ein. Wir genossen das spezielle Gefühl, auf einem offenen Waggon mitten durch die Wüste zu fahren. Um den atemberaubenden Sonnenaufgang bestaunen zu können, krochen wir bereits frühmorgens aus unseren Schlafsäcken und bewunderten ehrfürchtig die glühende, knallorange Kugel am weiten Horizont. Ein paar Stunden später erreichten wir, schwarz von Kopf bis Fuss, das Ende dieser holperigen, aber für uns unvergesslichen Fahrt.

Nachdem wir unsere Internetsucht gestillt und den lebendigen Hafen besichtigt hatten, starteten wir ein erneutes Autostopp-Projekt. Relativ schnell fanden wir zwei Fahrzeuge aus der Stadt und strandeten schlussendlich etwa 100km weiter, da keine Autos mehr fuhren. Wir fragten einen Ladenbesitzer, ob wir in seinem Laden übernachten durften und er willigte schnell ein. Bis um Mitternacht waren viele seiner Freunde auf Besuch und der Fernseher lief in voller Lautstärke. Danach schloss er die Barackentür und legte sich hinter dem Tresen schlafen.

Nach einer erneuten Nacht mit unbequemer Unterlage, weckte uns der Ladenbesitzer pünktlich um 8 Uhr. Wir kauften uns Frühstück und stellten uns wie am Abend zuvor an die Strasse um auch sicher keine Autofahrer zu verpassen. Während der Wartezeit beobachteten wir das interessante Geschehen um uns herum und andere Leute gesellten sich zu uns an den Strassenrand. Nach einiger Zeit hielt ein Auto und wir vereinbarten einen Preis von 5 Euro pro Person für die restlichen 400 km zurück in die Hauptstadt. Auf halber Strecke realisierten wir, dass unser Fahrer keine Beine besass und das Auto eine Spezialanfertigung hatte, damit er bremsen und beschleunigen konnte. Müde, hungrig und zum zweiten Mal völlig verdreckt, erreichten wir Nouakchott. Glücklich wieder bei unseren Fahrrädern zu sein, kochten wir zusammen mit unserem Gastgeber Warren und dem anderen Gast Jörg ein typisches Schweizer Gericht.

Zusammen mit Jörg besuchten wir nach der Verabschiedung von Warren den Hafen. Dieses Mal war weniger los und wir fuhren aus der grossen Stadt durch stark befahrene Strassen mit sandigen Abschnitten. Die Landschaft änderte sich langsam und mehr dornige Bäume waren präsent. Wir genossen die Abwechslung mit einem anderen Fahrradfahrer unterwegs zu sein.

Die Strasse in Richtung Senegalesische Grenze war einmal asphaltiert. Leider ist der heutige Zustand sehr schlecht und wir mussten zeitweise unsere Räder durch sandige Passagen schieben. Die Landschaft gleicht eher einer Savanne als einer Wüste und somit waren wir definitiv in der Sahelzone abgekommen. Die Gegend war plötzlich dichter besiedelt und viele Menschen winkten und riefen uns zu. Gleichzeitig sahen wir überall mehr Nutztiere und seit langem wieder einmal Rinder.

Wir wählten den Grenzübergang Diama, da diese weniger stressig ist und das letzte Stück auf Mauretanischem Boden durch einen Nationalpark führt. Direkt nachdem wir die Piste entlang dem Senegalfluss in Angriff nahmen, sahen wir die ersten Vögel und Warzenschweine.

In der Nacht hörten wir diverse Tiere, die sich am Wasser um uns herum aufhielten. Während der ersten Stunde morgens im Sattel sahen wir hunderte, wenn nicht tausende Pelikane, Flamingos, Schwalben und andere Vögel. Plötzlich sahen wir sogar ein Wüstenkrokodil das vor uns in das hohe Schilf flüchtete. Ein paar Kilometer vor der Grenze kam der letzte Polizeiposten und wir zeigten wie gehabt unsere Pässe. Vor dem zurückgeben der Pässe, wurden plötzlich 5 Euro für den Nationalparkeintritt (Parc National du Diawling) verlangt, was uns ein bisschen verwirrte. Nach einer extrem hitzigen Diskussion inklusive Austausch von Beleidigungen, da sich der Polizist und der Angestellte des Nationalparks nicht ausweisen konnten, waren wir 10 Euro los und fuhren das letzte Stück zur Grenze.

Über Mauretanien wussten wir vor unserer Ankunft nicht so viel und waren ab der riesigen Gastfreundschaft erstaunt. Die Leute leben in einfacher Weise in der Einöde der unverzeihbaren Wüste und haben meistens weder Wasser noch Elektrizität zur Verfügung. Trotzdem haben sie uns meistens mit einem Lachen empfangen.

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