Demokratische Republik Kongo

26. Januar – 14. Februar 2020:

Leider änderte sich der Zustand der schmaler werdenden Strasse und wir kamen nur noch im Schritttempo vorwärts. Die meisten Anstiege waren so steil, dass wir die Fahrräder schwitzend hochschieben mussten. 

Im ersten Dorf der DRC (Demokratischen Republik Kongo) bekamen wir vom überforderten Polizisten den Einreisestempel. Er war so unqualifiziert, dass er nicht einmal das Visum für sein eigenes Land erkannte. Wir wählten bewusst eine kleine Landesgrenze, da dort die Chance einer detaillierten Kontrolle der Dokumente kleiner ist. Somit kamen wir mit unserem semi-korrekten Visum ins Land und freuten uns auf das kommende Abenteuer. 

Die Piste wurde teilweise noch schlimmer und wir wurden so richtig durchgeschüttelt. Der Untergrund änderte sich stetig, aber ein harter, vom Regen ausgewaschener Teil blieb jeweils bestehen. Der Untergrund wies tiefe Rinnen auf und für uns war das Vorwärtskommen extrem anstrengend. Als ein Gewitter aufzog, fragten wir in einem Dorf, ob wir ein wenig pausieren dürften. Die Zuckerrohrschnaps-trinkenden Männer boten uns direkt an, die Nacht im Dorf zu verbringen. Die vielen Kinder des Dorfes waren extrem schüchtern und getrauten sich nur langsam sich uns anzunähern. Wir fragten ob die Dorfbewohner etwas zu essen für uns hätten und nachdem wir auf alle Fragen im Stile von: «Esst ihr das? » Mit «JA» antworteten, brachten sie uns verschiedene lokale Lebensmittel. Während unseres gesamten Aufenthalts wurden wir von 22 Kindern und einigen Erwachsenen ununterbrochen beobachtet bzw. angestarrt. 

Die schwarzen Wolken zogen vorbei und wir wollten noch ein wenig weiterfahren. Beim nächsten Dorf dachten wir, dass wir es sicher noch bis zur nächsten Siedlung schaffen sollten. Leider machte uns ein extrem schlammiger und steiler Abschnitt einen Strich durch die Rechnung. Der klebrige Schlamm blockierte unsere Räder und wir mussten alle zwei Meter den Dreck zwischen Pneu und Schutzblech entfernen. So ging das eine Weile, bis wir uns entschieden das Zelt am Strassenrand aufzustellen und am nächsten Tag weiterzufahren. Aufgrund der mangelhaften Karte wussten wir nämlich nicht, wie weit es noch bis zum nächsten Dorf war. 

Die Trinkwassersuche im nahegelegenen Fluss war erfolglos und wir mussten mit den wenigen Snacks und dem übriggebliebenen Wasser auskommen. Als es bereits dunkel war, sagte uns ein Motorradfahrer das nächste Dorf käme in etwa 2km. Immerhin war es nicht mehr weit bis zum Frühstück, dachten wir und legten uns schlafen. 

Nachdem wir unsere Schutzbleche vorne abmontiert hatten, erreichten wir das vom Motorradfahrer erwähnte Dorf direkt nach einem Hügel. Die Dorfbewohner waren sehr erstaunt über unseren Besuch und freuten sich riesig. Anscheinend waren wir die ersten Touristen mit Fahrrad in ihrem Dorf und per Buschtelefon verbreitete sich unsere Ankunft. Alle Neugierigen wurden direkt nach ihrer Ankunft bei der grossen Menschenansammlung informiert, was die «Mindele» (Weissen) hier machten. 

Uns wurde sofort ein Stuhl angeboten und wir fragten, ob wir Wasser und etwas zu essen bekommen könnten. Nach dem uns einer der freundlichen Männer fragte, was wir denn essen, brachten uns verschiedene Frauen Erdnüsse, Safou (eine lokale Frucht) und gekochten Maniok. 

Wieder mit genügend Energie ausgestattet, verabschiedeten wir uns dankend von all den Kindern und Bauern, welche sogleich, ausgestattet mit Gewehren und Macheten, zu ihren Feldern liefen. 

Während der Weiterfahrt über den spaltigen, felsigen Untergrund, machten wir Bekanntschaft mit einem jungen Mann, der nach elf Jahren in Deutschland zurück in sein Heimatland kam. In gutem Deutsch tauschten wir uns kurz aus, bevor er seinem Lastwagen vollbeladen mit Nahrungsmittel hinterhereilen musste. 

Nach einer steilen und steinigen Abfahrt erreichten wir endlich die erste Stadt. Im lebendigen Ort fragten wir bei der katholischen Mission, ob wir unser Zelt aufstellen konnten. Viele Reisende vor uns übernachteten bereits hier und darum wussten wir von diesem Plätzchen. Völlig erschöpft und fast um den Verstand geschüttelt stärkten wir uns und unterhielten uns mit den offenen und freundlichen Einheimischen auf den staubigen und löchrigen Strassen. 

Zehn Stunden Schlaf benötigten wir, um wieder genügen Energie zu haben für den nächsten Tag. Immer noch mit leichten Kopfschmerzen erkundeten wir den Markt und kontrollierten die Preise verschiedener Referenzartikel, um ein Gefühl für das neue Land zu bekommen. 

Trotz der extrem heissen Temperaturen, der hohen Luftfeuchtigkeit und den vielen Moskitos, konnten wir ein wenig entspannen und die Route für die kommenden Tage diskutieren. Wir fragten Lastwagenfahrer, Geschäftsmänner und andere Einheimische was sie zu unserer geplanten Route meinen. Wie immer sagten alle, dass die Strecke mit dem Fahrrad überhaupt kein Problem sei, denn mit dem Motorrad ginge es ja schliesslich auch. Anscheinend war der Zustand ähnlich wie auf der Strasse wo wir herkamen, nur noch hügliger. Die andere Alternative war die Überquerung des Kongo Stomes und danach wäre die Distanz zur angolanischen Grenze nicht mehr weit. Da wir über genügend Zeit verfügten, wollten wir den Umweg riskieren und im schlimmsten Fall wieder umkehren. 

Die Internetsuche bzw. der Kauf von mobilen Daten stellte sich als Mammutprojekt heraus und wir schafften es während unserem Pausentag leider nicht. Dafür probierten wir alle möglichen Restaurants aus und wechselten Geld in die lokale Währung. 

Trotz Warnungen von verschiedenen Leuten, setzten wir unsere Reise auf der «Route Nationale 12» fort. Der Name der Strasse verspricht viel, aber nach zwei Tagen auf dieser Strasse direkt nach der Einreise, setzen wir unsere Erwartungen auf ein Minimum. 

Die ersten 15 km kamen wir gut vorwärts und die Piste schien sogar kürzlich präpariert worden zu sein. Ein wenig weiter sahen wir zwei Lastwagen im Schlamm stehen und wir wussten, dass es jetzt richtig losgehen würde. Der eine mit Maniok vollbeladene Lastwagen versuchte den anderen herauszuziehen, während ein paar Jungs mit Pickel und Händen versuchten die Reifen frei zu kriegen. Es erstaunt uns immer wieder, wie gut gelaunt und unbesorgt diese Männer jeweils sind, obwohl diese seit über vier Tagen unterwegs waren. 

Die nächsten paar Kilometer mussten wir die Fahrräder grösstenteils schieben und bereits kamen die ersten Gedanken ans Umdrehen. Der Strassenzustand änderte sich jedoch fortlaufend und darum gaben wir die Hoffnung noch nicht auf. Plötzlich kam ein Land Cruiser entgegen und ein Italiener meinte wir seien mutig, denn die Strecke vor uns wäre noch viel schlimmer. Als Motivation gab uns der für ein Landwirtschaftsprojekt angestellte Venezianer ein paar Kekse.  

Tatsächlich wurden die Schlammlöcher noch tiefer und bald versperrte ein Fluss die Strasse. Bis zu den Oberschenkeln reichte das Wasser und wir mussten in mehreren Schritten unser Gepäck und die Fahrräder hinübertragen.  

Schlussendlich schafften wir es in ein Dorf mit einer riesigen Kirche. Man schickte uns zu der katholischen Mission, wo wir unser Zelt aufstellen konnten und eine Frau nach einer komplizierten Verhandlung ein köstliches Abendessen präparierte. Die Köchin war überglücklich, dass wir ihr Essen in rauen Mengen verschlangen und dies sogar ohne Besteck. 

In der Nacht zog ein Gewitter auf und es regnete bis am Morgen. Wir ahnten bereits wieder Böses für die bevorstehende Strecke und waren darum nicht besonders motiviert aufzustehen. Mindestens hundert Kinder beobachteten uns, während wir das nasse Zelt zusammenpackten. Die Lehrer waren aufgrund des Regens noch nicht in der Schule angekommen, darum waren wir die beste Attraktion. 

Wir kamen nicht weit, bevor wir schon wieder im Schlamm steckenblieben und dutzende Male unsere Fahrräder vom Schlamm befreien mussten. Der Sand und die aufgeweichte Erde bildeten eine klebrige Masse, welche überall hängen blieb. Wenigstens half die starke Sonne die Piste etwas zu trocknen. 

Ein Englischlehrer in einem Dorf half uns etwas zu essen aufzutreiben. Leider konnte er nur ein paar Wörter Englisch und bestätigte einmal mehr die minderwertige Bildung, welche die Schüler auf dem Land bekommen. 

Danach ging es auf einem schmalen Pfad einen Berg hoch. Teilweise fragten wir uns, ob es überhaupt möglich wäre mit einem Lastwagen oder Allradfahrzeug diese Strecke zu fahren. Oben angekommen, empfing uns der freundliche Dorfchef und wir unterhielten uns mit den Dorfbewohnern. Der kräftige Wind liess uns seit langem wieder mal unsere Pullover aus den Taschen hervorsuchen. Nach einem gemeinsamen Nachtessen, welches ähnlich aussah wie das Mittagessen, liessen wir das Dorf in Ruhe.  

Der Untergrund wurde nicht wirklich besser, aber wir kamen trotzdem etwas schneller vorwärts als am Vortag. Mit durchschnittlich 10km/h pedalten wir durch die hüglige Gegend. Wie die letzten Tage üblich, mussten wir stellenweise schieben, da wir uns beispielsweise durch ein Bachbett, einen Mini-Canyon oder einen Teich kämpfen mussten. 

Mehrheitlich fuhren wir im Wald und hörten viele interessante Geräusche aus dem Dickicht. Immer wieder kamen kleine Dörfer, wo wir die erstaunten Leute freundlich grüssten. Jedes Mal, wenn wir anhielten, um Wasser zu füllen oder nach dem nächsten Dorf zu fragen, ging es keine zwei Minuten und wir waren von mindestens 20-50 Kindern umzingelt. Keine der Kinder hatten je weisse Menschen gesehen und waren verständlicherweise extrem neugierig. 

In einem grösseren Dorf fanden wir sogar ein Restaurant und versuchten trotz der ultralauten Musik zu bestellen. Gestärkt wollten wir noch etwas weiterfahren, aber der einsetzende Regen machte dieses Unterfangen zu einer regelrechten Rutschpartie und wir mussten aufgeben. 

Zum Glück regnete es nicht die ganze Nacht und morgens war die Piste anstatt rutschig eher klebrig. Über mehrere Hügel kamen wir gut vorwärts und kamen unserem Zwischenziel immer näher. Unterwegs hielten wir mehrmals in kleinen Dörfern an, um ein paar Bananen zu essen oder unsere Wasserreserven aufzufüllen. 

Überall winkten uns die Leute hocherfreut zu und riefen uns irgendetwas nach. Wir konnten uns unmöglich mit allen Leuten unterhalten, was irgendwie schade war, da wir die Neugierigkeit förmlich spürten. 

Nach einer steinigen, langen Abfahrt kamen wir nach 200km in mehrheitlich kleinen Dörfern in der ersten Stadt an. Es gab sogar fliessend Strom und wir durften bei der Polizeistation übernachten. Nach einem Bad im relativ braunen, reissenden Bach, kontrollierte der Immigrationsverantwortliche unsere Pässe. Er hatte seine Mühe, da er ohne Brille praktisch blind war und so zog sich diese Überprüfung unnötig in die Länge. 

Unsere Beine waren richtig schwer und definitiv müde von den letzten Tagen. Viele Geschäfte und Restaurants waren in der Kleinstadt aufgrund des Sonntags geschlossen und wir fanden nur mit Mühe eine offene Küche. Auf dem Markt grüssten uns wie üblich in dieser Region viele Frauen mit «bonjour Papa» und wir grüsste mit einem grossen Lachen zurück «bonjour Mama».  

Neben der Polizeistation bekamen die Lehrer ihren Monatslohn ausbezahlt und standen stundenlange in der Sonne in einer Schlange. Jeden Monat müssen die unterbezahlten Lehrkräfte hier ihren Lohn abholen. 

Ein Computerspezialist aus Kinshasa half uns mit dem Kauf von Daten, damit wir im Internet surfen konnten. Danach lud er uns grosszügigerweise zu sich nach Hause zum Abendessen ein und erzählte uns von seinen unglaublich harten Zeiten im Militär während des Krieges. Sein Atelier war typisch Afrikanisch und wir konnten uns ein Lachen nicht verkneifen. 

Seit wir in der Demokratischen Republik Kongo sind, hat sich die lokale Sprache wieder mal verändert und klingt ähnlich zu Portugiesisch. Die Einheimischen haben uns sogar bestätigt, dass sie ein wenig Portugiesisch verstehen und der Einfluss von Angola der Hauptgrund ist.  

Immer wieder versuchen wir den verängstigten Kindern die Hand zu geben, um mit ihnen zu interagieren. Meistens getraut sich ein Kind und danach nähern sich die anderen und überwinden ihre enorme Angst. Ab und zu schauen die Kleinsten danach ihre Hand an, um zu sehen, ob wir „abfärben“. Diese Momente sind köstlich und die Einheimischen wie auch wir lachen uns jeweils fast krumm. 

Überall in dieser Region gehen die Dorfbewohner extrem weite Strecken jeden Tag. Meistens marschieren sie zum Feld oder wieder zurück ins Dorf, gehen Wasser holen oder verkaufen in den nahegelegenen Dörfern irgendwelche Produkte. Wir haben Leute angetroffen, welche täglich locker 20-40 Kilometer gehen und dies mit abgenutzten Badesandalen. 

Wir liessen die zuvorkommenden Polizisten zurück und begaben uns auf die anfangs noch asphaltierte Strasse. Bald mussten wir den Asphalt suchen und teilweise glich die Strasse eher einem Bachbett. Viele Frauen und Kinder kamen uns mit Nahrungsmittel oder Wasser auf dem Kopf entgegen und glotzten uns an, bis wir vorbeigefahren waren.  

Plötzlich machte der Wechsler bei Adrians Schaltsystem komische Geräusche und Bewegungen. Kurz danach konnte er gar nicht mehr treten und wir warfen einen Blick auf das offensichtlich kaputte Teil. Wir stellten fest, dass die Kassette beim Treten nicht mehr mitbewegt und somit ein Weiterkommen unmöglich war. Glücklicherweise war es nicht mehr weit zum nächsten grösseren Dorf und Adrian konnte sein Zweirad schieben. Wir fanden einen Mechaniker, der uns aber nicht wirklich helfen konnte mit seinen prähistorischen Werkzeugen. Wir nahmen das Rad weg und entfernten die Scheibenbremse und die Kassette. Weiter kamen wir leider nicht, da uns ein Inbus Nr. 11 fehlte. Bald ging die Sonne unter und wir entschieden uns den Dorfchef zu fragen, ob wir bei ihm im Garten das Zelt aufstellen konnten. Dies war wie üblich kein Problem und es war sogar ein Sicherheitsdienst vorhanden. 

Wir fragten zahlreiche Mechaniker nach einem Inbussschlüssel Nr. 11, aber diese hatten auch keinen zur Hand. Uns wurde empfohlen unsere Suche in der nächsten Stadt fortzusetzen. Spontan fragten wir zwei Einheimische, die gerade ihr Auto beluden, wo sie hinfahren wollen. Zufälligerweise hatten die zwei zuvorkommenden Männer das gleiche Ziel und sie meinten sofort es sei kein Problem für ein wenig Benzingeld mitzukommen. Wir waren froh, denn so waren wir nur zu viert in einem PW anstatt zu zehnt.  

Nach einer dreistündigen Schüttelfahrt erreichten wir die Stadt Boma. Wir wurden sogar direkt zum Hafen gefahren, wo die Fahrradhändler zu finden waren. Schnell realisierten wir, dass unser Unterfangen erfolglos bleiben würde, und wir liefen zum Büro von Philippe, einem Bekannten, den wir von einem Chat für Reisende kannten.  

Dort wurde uns direkt ein Zimmer angeboten und ein Plan für den nächsten Tag erstellt. Leider gab es in der Nacht eine Überschwemmung und mittendrin war unser Laptop. Wir hatten jedoch Glück im Unglück und bekamen keinen Elektroschock ab, denn der Laptop war am Strom angeschlossen. Dafür funktionierte Laptop nicht mehr. 

Für unsere Verhältnisse eher früh, fuhren wir zum Busbahnhof, um das Fahrrad wieder auf einem PW zu laden und die etwa 120 km zur nächsten Grossstadt zu starten. Die Türe mit aller Mühe geschlossen, fuhren wir mit vier Leuten auf dem Rücksitz los. Nach wenigen Kilometern hörten wir ein uns bekanntes Geräusch und der Fahrer hielt an. Ein Mechaniker, der im Kofferraum sass, ersetzte den Reifen innerhalb von wenigen Minuten und weiter ging es.  

Kaum in Matadi angekommen, ging gar nichts mehr wegen dem vielen Verkehr und wir mussten zu Fuss bis zum Treffpunkt gehen, wo wir von Philippe‘s Chauffeur zu seinem Haus gebracht wurden und seine Frau Anne kennenlernten. Von Anfang an wurden wir wie Söhne des älteren französischen Pärchens behandelt und von Anne bekocht wie in einem Luxusrestaurant. Ausserdem hatten wir seit Monaten wieder mal jeder ein eigenes Zimmer mit Klimaanlage und einem riesigen Bett. 

Frühmorgens fuhren wir zu einer Mehlfabrik, wo ein Freund von Philippe arbeitet, um in der Werkstatt nach einem Inbus Nr. 11 zu suchen. Leider hatten sie nicht einmal in der riesigen, mit alten Schweizer Maschinen ausgestatteten Werkstatt einen solchen Schlüssel.  

Die einzige Option war ein Nr. 12 Inbus zu nehmen und ihn auf die passende Grösse zu reduzieren. Nun konnten wir endlich den Freilauf weiter offenen, aber merkten gleichzeitig, dass wir noch ein anderes Werkzeug benötigten. Ein Mitarbeiter, der sogar schon in der Schweiz gearbeitet hatte, versprach uns er könne das Problem lösen und wir liessen das Rad bei ihm, da wir noch andere Dinge erledigen wollten. 

Der Informatiker Paul, der für Philippes Firma arbeitet, half uns einen Occasion Computer aufzutreiben. Ein Freund von ihm zeigte uns mehrere Modelle und wir entschieden uns nach längerer Überprüfung für einen Lenovo. Der Verkäufer stellte zu unserer Überraschung sogar eine Quittung aus, damit wir bei Problemen zurückkommen konnten. 

In der Zwischenzeit flickte Albert unseren Freilauf und präsentierte uns stolz das gereinigte und wieder einwandfrei funktionierende Teil. Er stellte ein spezifisches Werkzeug her, um an das Innere zu kommen, reinigte alles, ersetzte die Kügelchen und fettete die nötigen Stellen. Wir waren überglücklich und bedankten uns herzlich bei ihm und seinem Chef.  

Frühmorgens fuhr uns Francis, einer der Fahrer von Philippes Arbeitgeber zum Busbahnhof und stellte sicher, dass wir einen Transport zurück ins Dorf finden. Fünf Stunden, verschwitzt und mit schmerzenden Beinen und Hüften erreichten wir Lukula wieder. Die Fahrt war sehr unangenehm und wir sahen zum ersten Mal, wie vier Leute vorne Platz nehmen mussten. Sogar der Fahrer musste seinen Sitz teilen.  

Wir packten unser Material zusammen und verabschiedeten uns von allen Mechanikern und der Familie vom Sektionschef. Die Schlammschlacht ging weiter und die schlechte Strasse schüttelte uns nochmals so richtig durch.  

Auf der ersten Asphaltstrasse in diesem Land nach über zwei Wochen, kamen wir wieder effizienter vorwärts. Eigentlich wollten wir noch weiterfahren, aber plötzlich riss Adrians Schaltkabel und wir mussten einen Übernachtungsplatz suchen. In der Nähe hauste eine freundliche Familie und nahm uns direkt auf. Wir freuten uns sehr, dass wir zusammen mit der gesamten Familie essen konnten und die vielen interessanten Fragen der armen Dorfbewohner zu beantworten. 

Nach ein paar Erinnerungsfotos mit der netten Familie und der notdürftigen Reparatur der Schaltung, verliessen wir das winzige Dorf in Richtung Matadi. Die vielen Hügel forderten uns und die unzähligen Rufe in den Dörfern gingen uns mit der Zeit auch ein wenig auf die Nerven. Wenigstens bettelten die Leute hier praktisch gar nicht. 

Kurz vor der imposanten Brücke trafen wir einen einheimischen Fahrradfahrer, der auf dem Weg zur 120 km entfernten Stadt Boma war. Er meinte es sei kein Problem für ihn in der Dunkelheit zu fahren. Wir dachten nur: „Lieber er als wir“ und erklimmen den letzten Hügel, bevor wir die einzige Brücke in dieser Region über den Fluss Kongo überquerten. Die nächste Brücke befindet sich zirka 2800 km flussaufwärts. Nach einem weiteren langen und steilen Anstieg erreichten wir wieder das vertraute Heim von Anne und Philippe. Wie bereits die Tage zuvor wurden wir herzlich aufgenommen und kulinarisch von Anne verwöhnt.  

Seit Monaten konnten wir unsere Kleider nicht mehr mit einer Waschmaschine waschen. Ebenfalls reinigten wir das Zelt, flickten die kaputten Stellen und ersetzten die Gummibänder in den Zeltstangen. Unsere Luftmatratzen, Schuhe, Trinkflaschen und Fahrradtaschen benötigten ebenfalls dringend eine Reinigung. 

Während den letzten Tagen testeten wir den neu gekauften Laptop und stellten einige Probleme fest. Unter anderem war der Akku extrem schwach, das Bluetooth funktionierte nicht und das Betriebssystem war nur auf Französisch vorhanden. Der Verkäufer des Laptops versprach uns einen besseren Akku zu suchen. Die anderen Probleme waren nicht weiter tragisch und eher schwer zu lösen.  

Am zweiten Tag in der Stadt versuchte der Informatiker Paul den ganzen Tag den Computerhändler zu erreichen, jedoch ohne Erfolg. Wir hatten bereits das Gefühl, dass seine Motivation nicht gerade gross war uns zu helfen, da es sich schliesslich um seinen Freund handelte und er keinen Gewinn aus der Sache schlägt. 

Leider konnten wir die viel zu komplexe Schaltung an Adrians Fahrrad nicht reparieren und suchten eine Alternativschaltung bei einem Strassenhändler. Schnell fanden wir eine passende Schaltung und installierten diese unten am Lenker. So konnten wir ohne Probleme weiterfahren, da der Mechanismus sehr einfach aufgebaut ist und somit weniger anfällig für Defekte ist. 

Der Besuch des Konsulats, um Informationen für das Angolavisum zu bekommen, stellte sich als gute Idee heraus. Anderen Reisende sagten, dass es acht Tage dauert, um dort das Visum zu bekommen. Eigentlich wollten wir das Visum online beantragen, da der Prozess schneller ist und weniger kompliziert. Leider konnte man die Grenze, die wir beabsichtigen zu überqueren, nicht auswählen und somit mussten wir eine Alternativlösung finden. Die freundliche Dame am Schalter meinte trotz allem, es dauere maximal drei Tage. Somit besorgten wir alle nötigen Farbkopien, füllten die Formulare mit Hilfe der Frau am Schalter aus und zahlten je 101 US-Dollar auf eine Bank ein. Die Organisation der Dollar war eher schwierig, so dass wir mehrere Bankomaten besuchten und nur mit unserer Visa-Karte Geld bekamen. In der Demokratischen Republik Kongo ist der Dollar fast ebenso beliebt wie die lokale Währung und die Nachfrage aufgrund der steigenden Inflation überdurchschnittlich hoch. Bis jetzt gefielen uns die Banknoten der Demokratischen Republik Kongo am besten von allen 16 Währungen auf der Reise. Die traditionellen Sujets überzeugten uns von Anfang an. 

Bereits bei unserem ersten Aufenthalt in Matadi beklagte sich Adrian über Malariasymptome und nahm die üblichen Tablette zu sich. Nach der erneuten Ankunft kamen die Symptome noch stärker zurück und er entschied sich für eine neue Behandlungsart. Es besteht nämlich auch die Möglichkeit einer Therapie per Infusion, welche anscheinend stärker sein soll. Ein unprofessioneller Assistenzarzt setze die Infusion. Dafür öffnete er die Ampullen mit den Zähnen und löste den Wirkstoff ungenügend in der Kochsalzlösung auf, bevor er die Injektion durchführte. 

Danach wollte Adrian seine Rechnung im Spital bezahlen, was sich wie so oft schwieriger herausstellte als gedacht. Die netten, flirtenden Mitarbeiterinnen setzten Medikamente und Dienstleistungen auf die Rechnung, welche gar nicht beansprucht wurden. Ob es Absicht war, ist nicht klar, aber generell meinen sowieso alle wir seien reich wegen unserer Hautfarbe.  

Der erneute Besuch beim Konsulat dauerte ebenfalls länger als erwartet, aber wir bekamen den positiven Bescheid, dass wir das Visum mit grosser Wahrscheinlichkeit am nächsten Tag abholen können. 

Der Elektronikverkäufer schien bereits die letzten Tage kein Interesse zu zeigen an unserem Wunsch den schwachen Akku zu tauschen oder den Laptop komplett auszutauschen. Somit gaben wir auf und konnten ihm nach langer und energischer Diskussion nur 10 Dollar als Entschädigung abzwacken. Sobald die Kongolesen das Geld in der Tasche haben, interessiert sie überhaupt nichts mehr. Diese Aussage bestätigten mehrere Einheimische und dies war auch unsere Erfahrung in anderen Regionen. 

Gut gestärkt verliessen wir den Luxus für ein weiteres Mal und bedankten uns beim netten Paar aus Frankreich, die uns beim Lösen unserer Probleme extrem behilflich waren. Trotz Wolken stieg die Temperatur bereits vor dem Mittag auf über 40 Grad und wir konnten gar nicht so viel trinken wie aus unseren Poren kam.  

Da wir länger in der Demokratischen Republik Kongo blieben als gedacht, mussten wir in den nächsten Wochen noch mehr Kilometer fahren. Denn in Namibia wird uns Adrians Familie besuchen und darum sollten wir etwa zur gleichen Zeit in Windhoek ankommen.  

Über hügliges Gelände fuhren wir durch viele Dörfer, in welchen wieder alle Bewohner irgendetwas in unsere Richtung schrien. Bald erreichten wir die Abzweigung zur Grenze und kämpften uns über die steinige Piste und durch das chaotische Treiben im Grenzort. Tausende Leute verkauften ihre Waren in kleinen Blechhütten und lebten gleichzeitig darin. Man konnte den Boden vor lauter Abfall gar nicht mehr erkennen und es war so laut, dass wir uns ziemlich unwohl fühlten. Nach einer letzten Schlammpartie bekamen wir den Ausreisestempel und überquerten den Grenzfluss nach Angola.  

Somit verliessen wir ein Land welches über 100 Jahre Krieg, Horror und Diktatur hinter sich hat und fast 60 mal so gross ist wie die Schweiz. Uns reizte das Land von Beginn weg und wir wurden sehr positiv von den Einheimischen aufgenommen. Entgegen den Ängsten vieler unserer Bekannten, fühlten wir uns jederzeit sicher, denn der Westen des riesigen Landes wurde in den letzten Jahren von Turbulenzen verschont. Die meisten Leute, mit denen wir gesprochen hatten, sahen vorher noch nie einen Weissen von Nahem und dies machte unzählige Begegnungen speziell für beide Seiten. 

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