Togo

10. September – 25. September 2019:

Abrupt änderte die Asphaltstrasse in eine schmale, dreckige Piste und erst nach ein paar Kilometern erreichten wir die Immigrationsbehörde auf der togolesischen Seite. Togo war seit langem das erste Land, wo wir unser Visum an der Grenze bekamen. Das Visum ist zwar nur sieben Tage gültig, aber immerhin mussten wir nicht auf eine Botschaft in Accra rennen und konnten so einiges an Geld sparen. Darum liessen wir Accra erst als zweite Hauptstadt in Afrika aus und sparten uns den Stress der Grossstadt.

Mit dem neuen Visum im Pass legten wir die restlichen Kilometer bis nach Kpalimé zurück. Die Strasse glich einem Flickenteppich und wir mussten den übriggebliebenen Asphaltstücken im Slalom ausweichen. In der Stadt angekommen suchten wir das «Cycling Project» auf und wurden herzlich empfangen. Abdou, der Gründer des Vereins, lernten wir über Warmshowers kennen.

Während der Suche nach einem Restaurant lernten wir einen Togolesen kennen der 25 Jahre in Deutschland gelebt und dort eine Familie gegründet hat. Seit zwei Jahren ist er zurück in Togo und ist somit dem stressigen Arbeitsleben in Europa entflohen.

Das empfohlene Restaurant war ausgenommen vom Frühstück unser Stammlokal. Die verschiedenen Saucen schmeckten genial und wir konnten gar nicht an einem anderen Ort essen.

Abdou’s Cycling Project unterstützt Kinder mit Fahrrädern, Schulbücher und bezahlt die Schulgebühren, falls die Schüler ihre Leistung in der Schule bringen. Ausserdem zeigt er ihnen wie man Fahrrad fährt und organisiert Rennen in der Region.

Mahdi, ein Tunesier, der seit über einem Jahr Afrika bereist war zur gleichen Zeit Gast bei Abdou und wir tauschten unsere Erfahrungen aus.

Um Daten für den togolesischen Anbieter zu kaufen, muss man tief in die Tasche greifen. Durch Zufall erfuhren wir von einer Familie, welche einen Router installiert hat. Dort konnte man für umgerechnet 20 Eurocent den ganzen Tag im Internet surfen. Also sassen wir mehrere Stunden auf Kanistern in einem dunklen, muffigen Raum.

Seit über einem Jahr sind wir mit Ivan, einem italienischen Tourenfahrer im Kontakt. Er startete in Italien und hat ebenfalls Südafrika als Ziel. In Togo kreuzten sich unsere Routen und wir hatten nette Gespräche über unsere Erlebnisse in der Region und die weiteren Pläne. Ausserdem diskutierten wir mögliche Lösungen für das Problem des Nigeria-Visums.

Wir verliessen Ivan, Abdou und die angenehme Atmosphäre des Fahrradvereins wieder und fuhren Richtung Hauptstadt. Auf dem Weg hinunter ins Flachland fuhren wir am höchsten Berg Togos vorbei, der knapp die 1’000 m Marke nicht knackt. Aufgrund der hohen Gebühren um den Gipfel zu «besteigen», fuhren wir nur zum ersten Dorf hoch, um die Umgebung zu sehen. Das Terrain danach war im Vergleich zu den letzten Tagen in Ghana extrem flach und immer wieder sahen wir Autowracks am Strassenrand.

Die schmale Strasse führte uns schnell nach Lomé, der grössten Stadt Togos. In der Nähe des Zentrums wurden wir von Noah und seiner Familie herzlich empfangen. Von Mahdi, den wir in Kpalimé kennengelernt hatten, bekamen wir den Kontakt von Noah. Seit kurzem ist er Mitglied auf der Plattform Couchsurfing und empfing uns als seine zweiten Gäste überhaupt.

Als erstes mussten wir unbedingt unser Visum verlängern, da der letzte Tag bereits lief. Mit dem Fahrrad erreichen wir den Standort schnell und mussten zusammen mit Dutzenden anderen Leuten das Antragsformular ausfüllen und mehrmals anstehen, um am Schalter bedient zu werden. Schlussendlich wurde uns gesagt, dass wir das neue Visum am nächsten Tag abholen können.

Problemlos konnten wir das Visum abholen und waren vorläufig beruhigt. Für Benin konnten wir das Visum online beantragen und mit Kreditkarte bezahlen. Für einmal einfach und ohne grösseren Aufwand.

Ausserdem wollten wir bei der Botschaft der Demokratischen Republik Kongo vorbeischauen, ob es eine Möglichkeit gibt, das Visum zu beantragen. Eigentlich teilte uns einer der Mitarbeiter sofort mit, es wäre nur mit Residenzkarte möglich, das Visum zu beantragen. Glücklicherweise kam während des Gesprächs der Botschafter vorbei und meinte er helfe uns gerne das Visum trotzdem zu bekommen. Die nächste Hürde war das genaue Datum unserer Ankunft zu bestimmen, da wir genau angeben mussten ab wann wir das einmonatige Visum in Anspruch nehmen wollen.

Am nächsten Tag hatten wir alle nötigen Kopien dabei, uns ein Datum ausgedacht und fuhren zurück zur Botschaft. Wir wollten alles bezahlen, da meinte der Mitarbeiter, der die Visa ausstellt, er bräuchte ein wenig mehr Geld, da es normalerweise viel länger ginge, um das Visum auszustellen und wir nicht alle nötigen Dokumente hätten. Wir einigten uns nach einer typisch Afrikanischen Diskussion auf eine Express-Gebühr (Bestechung) von 15 Euro. Als wir das Visum abholten, wurden wir informiert, dass es noch ein kleines Problem gebe. Anscheinend ist das Visum ab Ausstellungsraum nur drei Monate gültig und unsere Ankunft war erst in fünf Monaten geplant. Also schrieb er ein Ausstellungsdatum im November auf und hoffte für uns, dass niemand an der Grenze kontrollieren wird, wann wir gemäss Pass genau in Togo waren.

Der mehrheitlich freundliche Beamte gab uns noch die Empfehlung, eine Residenzkarte zu erstellen, damit es an der Grenze weniger Fragen gäbe und unsere Chancen für eine erfolgreiche Einreise grösser wären. Wir hatten nämlich in den letzten Wochen viel über Abweisungen an genau dieser Grenze gehört, da die Visa nicht im Heimatland ausgestellt wurden. Eigentlich müssten alle Visen für DRC im Heimatland ausgestellt werden. Dies ist aufgrund der Länge unserer Reise nicht möglich und ein Rückflug deswegen wäre zu teuer.

Als nächstes fuhren wir zum Polizeihauptquartier mit den Kopien unseres Passes und des togolesischen Visums. Eine nette Frau half uns beim Ausfüllen des Formulars. Der Vorgang ging schnell und uns wurde gesagt, wir können das Dokument ausnahmsweise bereits am nächsten Morgen abholen.

Eigentlich wollten wir uns in Lomé etwas ausruhen, aber die Besuche der vielen Botschaften, verteilt in der ganzen Stadt, liessen uns abends müde ins Bett fallen. Unser grösstes Sorgenkind war nach wie vor Nigeria. Unser bereits dritter Besuch der nigerianischen Botschaft in Lomé, ging ebenfalls leer aus. Unsere Residenzzertifikate wurden nicht akzeptiert, da es anscheinend noch ein anderes Dokument gibt. Wir gaben alles und sprachen mit der halben Belegschaft der Botschaft, aber dies half nichts. Schlussendlich wurden wir aufgrund unserer kurzen Hosen aus dem Gebäude geschickt und alle anderen Leute amüsierten sich, als wir lautstark argumentieren gar keine langen Hosen dabei zu haben.

Auf dem Rückweg besichtigten wir das unspektakuläre Stadtzentrum, den lebendigen «Grande Marché» und den schönen Stadtstrand. Lomé scheint eher wie eine Kleinstadt und ist ruhig und gesittet im Vergleich zu bisherigen Millionenstädten in Afrika.

Abdou gab uns die Telefonnummer seines Fahrradfreundes und wir trafen ihn bei seinem Haus. Er konnte Fabians kaputten Getränkehalter und Adrians Laufrad ersetzen. Mehr als zwei Stunden war er mit der mühsamen Arbeit des Aus- und Einspeichens beschäftigt. Glücklicherweise war Edem der Captain des togolesischen Nationalteams und wusste darum genau Bescheid wie man so etwas macht.

Noah zeigte uns einen Grillstand, wo wir seit Wochen das erste Mal ein Stück Fleisch assen. Normalerweise verzichten wir freiwillig auf das Fleisch bei den meisten Gerichten, da man lange suchen muss, bis man vor lauter Knochen etwas Fleisch findet.

Ausserdem besass unsere Gastgeberfamilie seit kurzem ein kleines Restaurant, wo wir fast jeden Abend zur Abwechslung Pommes, Salat oder Spaghetti assen.

Leider bemerkten wir erst nachdem wir die Residenzzertifikate abgeholt hatten, dass bei Adrians Dokument die Unterschrift des Kommandanten fehlte. Also besuchte Adrian erneut die Polizeistation, um die Unterschrift nachträglich zu holen. Leider war dies auch nach zweistündiger Wartezeit nicht möglich, da der Kommandant nicht da war, also hinterliess er seine Telefonnummer und ging nach Hause. Am nächsten Morgen, bevor wir uns von der zuvorkommenden Familie Noahs verabschiedeten, absolvierte er die Bonusrunde von 15km und holte sich die entscheidende Unterschrift nachträglich.

Wir schossen ein paar Fotos vor dem Restaurant und bedankten uns für die grossartige Gastfreundschaft. Eine autobahnähnliche Strasse führte uns aus Lomé. Schon bald wurde die Strasse schmaler und die ersten Schlaglöcher tauchten auf. In einem kleinen Dorf probierten wir unseren ersten Käse aus Kuhmilch in Afrika. Der weisse, grosse Käseklumpen schmeckte extrem frisch, war jedoch im Geschmack eher fad.

Unser Plan von Lomé nordwärts zu fahren, um dann die Grenze nach Benin zu überqueren war definitiv nicht der kürzeste Weg, aber deshalb machen wir diese Reise auch nicht. Die hohe Luftfeuchtigkeit aufgrund des regelmässigen Regens, liess uns Schwitzen und die Kleider trockneten überhaupt nicht mehr.

Bei einer schmalen Brücke sahen wir von weitem bereits viele Leute, die in den Fluss schauten. Wir ahnten bereits böses und als wir bei der Brücke ankamen, sahen wir einen mit Reis beladenen Lastwagen, der die Kurve nicht erwischte. Einige Schaulustige sagten uns, dass zwei Menschen starben. Überall sahen wir Kinder und Jugendliche, welche die Reissäcke aus dem Fluss fischten und stolz nach Hause trugen.

Hinter einem Gymnasium fanden wir unter Mangobäumen ein gutes Plätzchen, um unser Zelt aufzustellen. Während dem Einrichten unseres Zeltes, lernten wir den Deutschlehrer kennen, der interessiert in gutem Deutsch Fragen über unsere Reise stellte. Aufgrund der Deutschen Kolonialgeschichte trafen wir ab und zu Leute, die ein wenig Deutsch sprachen. Er erzählte uns, dass er pro Klasse 80 Schüler hat. Auf unsere Frage ob die Kinder geschlagen werden, meinte er die Regierung hätte es offiziell verboten, aber, wenn man die Kinder nicht schlägt, machen diese was sie wollen. Verständlich, da die Kinder im Elternhaus geschlagen werden, müssen die Lehrer mitziehen, sonst gibt es chaotische Zustände im Unterricht.

Ausserdem meinte er, dass er die ersten drei Jahre als Lehrer kein Gehalt bekam und erst dieses Jahr offiziell als Beamter einen Vertrag hat. Leider reicht auch dieser Lohn nicht aus und somit arbeitet er am Wochenende als Bauer.

Seit einer Woche sind die Sommerferien vorbei und wir sehen wieder hunderte Kinder auf ihrem langen Weg in die Schule mit ihren niedlichen Uniformen. Meistens begrüssen sie uns freundlich und manchmal fragen sie leider auch nach einem «cadeau».

Überall legten die Kinder und Frauen ihre Ernte am Strassenrand zum Trocknen aus. Wir sahen Mais, Chilischoten, Okra und Cassava. Ausserdem begleiten uns Teakplantagen seit Ghana.

Der Verkehr auf der einzigen Hauptstrasse Richtung Norden ist mittelmässig und es gibt wie überall in Togo extrem viele Motorräder. Vietnamreisende kennen das, obwohl es hier neben den Motorrädern auch viele Fahrräder gibt, was uns natürlich enorm freut.

Nach über 340 km in drei Tagen erreichten wir erschöpft Sokodé, die drittgrösste Stadt Togos. Unser Couchsurfing Gastgeber Tatchein holte uns an der Hauptstrasse ab und führte uns zu seinem Haus. Seine Mutter wollte unbedingt, dass wir ihr Essen kosten und wir waren natürlich überhaupt nicht abgeneigt.

Seit der Sahara sind wir nicht mehr drei Tage hintereinander über 100 km gefahren und wir ruhten uns dementsprechend in Sokodé aus. Zusammen mit Tatchein besuchten wir den «grande marché», assen ein Reisgericht namens «Washie» in einer typischen Garküche und liefen auf einen Hügel, von wo wir eine Übersicht über die Stadt bekamen.

Wir verliessen das gastfreundliche Haus wieder und mussten vorher der zuvorkommenden Mutter von Tatchein erklären, dass wir weiterfahren. Je weiter nördlich wir kamen in Togo, desto freundlicher und enthusiastischer war die Reaktion der Leute, wenn sie uns sahen. Die Kinder auf dem Schulweg schrien meistens irgendetwas, grüssten freundlich oder heute wurden wir sogar mit Applaus in einem Dorf empfangen. Wir sind uns ja gewohnt überall im Mittelpunkt des Geschehens zu sein, aber so extrem war die Reaktion selten.

Wir fuhren entlang einer Passstrasse seitlich einen Berg hoch und genossen die Weitsicht auf die umliegenden Berge. Lastwagen die auf ihrem Weg nach Burkina Faso denselben Pass überqueren müssen, überholten wir locker, da die völlig überladenden Lastwagen sich schnaufend hochkämpften. Nach der Abfahrt vom Pass merkten wir sofort wie das Klima wieder tropisch feucht wurde und sich der ganze Körper klebrig anfühlte.

In Kara wollten wir endlich Hundefleisch probieren, da es in Togo als Spezialität gilt. Irgendwie verstand der Togolese, den wir nach einem Grillstand gefragt hatten, nicht nach was wir genau suchten. Darauf zeigten wir auf einen Hund und symbolisierten ihm gleichzeitig mit Hilfe von Gestik etwas zu essen. Er verstand was wir suchten und erklärte uns wo man Hundefleisch findet. Leider war das Fleisch im empfohlenen Markt bereits ausverkauft und wir mussten uns mit einem einheimischen Gebräu namens «Tchoukoutou» zufrieden geben, welches aus fermentierter Hirse hergestellt wird.

Nachdem wir für eine längere Zeit an Höhe gewannen, kam uns plötzlich ein Rennradfahrer entgegen. Beide Parteien waren zuerst erstaunt einander zu sehen und es brauchte einen Moment bis wir anhielten. Karim kam ursprünglich aus Lomé, war Mitglied eines Fahrradvereins und beklagte sich, dass er der einzige Rennradfahrer in dieser Gegend sei.

Nach einem weiteren Anstieg auf einen Pass änderte sich die Landschaft erstaunlich schnell und wir befanden uns in einer durch die Regenzeit grün überwachsenen Steppenlandschaft. Erinnerungen an den Senegal kamen hoch und wir freuten uns über die willkommene Abwechslung.

In Kandé verliessen wir die Asphaltstrasse und fuhren Richtung Grenze. Dieses Gebiet ist Teil des UNESCO- Weltkulturerbes und beheimatet traditionelle Häuser, genannt «Tata». Aufgrund der hohen Preise für die Besichtigung entschieden wir uns dies auf der Beninischen Seite zu tun, da wir die Information hatten, dass es dort günstiger ist.

Plötzlich kam uns ein Allradfahrzeug mit Militärbegleitung entgegen und ein Weisser schrie aus dem Fenster «Cape2Cape». Zuerst waren wir völlig erstaunt und wussten nicht recht wie reagieren. Als die zwei Frauen und Essaddi ausstiegen realisierten wir, dass wir über Instagram in Kontakt waren. Essaddi erzählte uns, er verfolge unsere Reise schon länger und fuhr selber auch schon durch Togo mit dem Fahrrad.

In Naboda besuchten wir den extrem aktiven Wochenmarkt. Wir stärkten uns mit einer grossen Portion Reis und tranken das lokale Hirsengebräu mit einer Gruppe Einheimischer aus Schüsseln, hergestellt aus ausgehöhlten Flaschenkürbissen in einer putzigen Rundhütte. Danach war es nicht mehr weit zum Zoll und wir befanden uns bereits in Benin.

Mit Togo verliessen wir ein Land mit extrem freundlichen Leuten, die uns stets mit «bon arriveé» begrüssten und erstaunt nachfragten woher wir kommen. Zum ersten Mal seit langem liessen wir ein Land hinter uns ohne eine einzige warme Dusche und keinen weissen Gastgeber zu haben.

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