16. August- 21. August 2018 (Teil 1):
Nach Mitternacht erreichten wir den Hafen von Dover und waren wenig motiviert ein Übernachtungsplatz zu suchen. Nicht einmal zehn Minuten im neuen Land, wurde Fabian bereits von einem aggressiv und viel zu schnell fahrendem Bus berührt. Klar, wir waren unbeabsichtigt in eine Einbahnstrasse geraten, aber trotzdem rechtfertigt dies die Fahrweise nicht wirklich. In der Dunkelheit erklommen wir die Steilküste von Dover und suchten relativ lange nach einem Übernachtungsplatz. Wir klopften sogar an eine Türe und wollten fragen, ob wir im Garten unsere Zelte für die kurze Nacht aufstellen konnten. Die verängstigte Frau getraute sich nicht einmal die Tür zu öffnen und durch die geschlossene Tür konnten wir kein Wort verstehen. Also fuhren wir weiter und fanden schlussendlich im Wald nahe der Autobahn einen Platz. Umgeben von sehr viel Abfall schien der Platz eher ungeeignet, aber wir waren alle zu müde, um weiter zu suchen.
Im Gegensatz zu den flachen und eher dichter bewohnten Regionen Belgiens und der Niederlande, schienen die ländlichen Regionen nach Dover hügliger und verlassener. Uns gefiel die Abwechslung sehr und wir mussten uns nur an den vielen Regen gewöhnen, der doch sehr präsent war.
Bald wurden Hauptstrassen gespickt mit vielen Lastwagen immer häufiger und die ländliche Gegend verschwand zunehmend. Bevor wir London erreichten, folgten wir einem Fahrradweg für einige Kilometern, der neben der vier bis fünfspurigen Autobahn platziert wurde. Den immensen Krach der Blechlawine motivierte uns noch schneller zu fahren und möglichst bald an unseren Übernachtungsplatz zu kommen. Nach über 130 km mit typisch britischem Wetter kamen wir müde, jedoch glücklich in London an und konnten uns von den Strapazen der letzten zwei Tage erholten.
Um einen Eindruck über den ältesten Teil der Stadt zu bekommen, schlossen wir uns einer Free Walking Tour an. Einige Highlights der grössten Stadt innerhalb der Europäischen Union wie Westminster Abbey, Tower Bridge und Buckingham Palace durften natürlich nicht fehlen während unserem Besuch. Leider war der Big Ben wegen Renovationsarbeiten grösstenteils eingepackt. Anschliessend genossen wir die entspannte Atmosphäre im riesigen Hyde Park und leisteten uns typischen «Pub Food» in einem der traditionellen Pubs. Zum Abschluss, in der bisher grössten Stadt auf unserer Reise, liefen wir zum Pilmrose Hill und bestaunten die mächtigen Gebäude der Grossstadt aus der Ferne.
Um aus einer Stadt dieser Ausmasse zu fahren, benötigt man viel Geduld auf den vielbefahrenen Hauptstrassen. Nach dem Flughafen Heathrow erreichten wir das Windsor Castle, welches das grösste durchgängig bewohnte Schloss der Welt ist. Auf einem Campingplatz in Oxford trafen wir Adrians Eltern, Rita und André wieder. Nach unserer Ankunft wurden wir mit einem Apéro und leckerem Essen aus der VW-Bus Küche verwöhnt.
Per Fahrrad besichtigten wir einige der ältesten Colleges der Universität Oxford. Die Universität existiert nachweislich seit dem 12. Jahrhundert und ist die älteste englischsprachige Universität der Welt. Die Landschaft nach Oxford war geprägt durch viele Hügel und landwirtschaftliche Nutzflächen. Bis zum Mittag hatten wir bereits um die 1000 Höhenmeter und 80 Kilometer hinter uns und wir waren dementsprechend erschöpft. Dank Rita und André konnten wir gestärkt in die zweite Hälfte der Tagesetappe starten. Für den Rest des Tages strampelte André mit uns zum Tagesziel. Mit müden Beinen begannen wir am Tag danach ein weiteres Abenteuer durch die hügeligen Regionen des Vereinigten Königreiches. Nach einem steilen Hügel, mit schöner Aussicht auf die umliegenden landwirtschaftlichen Anbauflächen, überquerten wir die unsichtbare Grenze nach Wales.
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25. September – 6. Oktober 2018 (Teil 2):
Holy Island, auch Lindisfarne genannt, ist eine Gezeiteninsel auf der sich ein Vogelschutzgebiet befindet und ein Schloss aus dem 16. Jahrhundert. Das heisst die Insel ist nur zu gewissen Zeiten befahrbar und die Strasse steht regelmässig unter Wasser. Wir besuchten die ruhige Insel, auf der die Zeit stehengeblieben schien mit dem Mietauto von Nicole. In Alnwick folgte bereit das zweite Schloss des Tages. Das Alnwick Castle ist der zweitgrösste Adelssitz Englands und diente für Filme wie Harry Potter, Robin Hood und Transformers als Kulisse. Aufgrund eines Platten am Hinterreifen von Fabians Fahrrad durch einen Dorn, starken Gegenwind und über 1100 Höhenmeter, waren wir am Abend extrem müde.
Wir folgten der Militärstrasse, die mehr oder weniger dem Hadrianswall folgt. Diese römische Grenzbefestigungsanlage wurde von Kaiser Hadrian im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung nahe der heutigen Grenze zwischen Schottland und England erbaut. Die Mauer war 117.5 km lang, etwa 5 m hoch und es dauerte ungefähr zehn Jahre bis zur Fertigstellung. Viele Wanderer nehmen sich ungefähr eine Woche Zeit, um der antiken Grenze zu folgen. Starker Gegenwind und viel Nebel trübte die eigentlich schöne, mit tausenden Schafen dekorierte Landschaft.
In Richtung Penrith fuhren wir entlang der alten Hauptstrasse Richtung Süden. Seit dem Abstecher nach Schottland fahren wir bis zu unserem Ziel in Kapstadt «nur» noch südlich. Bald erreichten wir den Lake District Nationalpak und genossen eine Pause bei Sonnenschein am Ullswater, einem See mit Blick auf die umliegenden Berge. Der anschliessende Kirkstone-Pass hatte es in sich und war im Durschnitt über 15% steil und teilweise sogar 20%. Wir genossen die lange Abfahrt und waren positiv von der atemberaubenden Landschaft im Nationalpark überrascht.
Bevor sich Nicole in Richtung Manchester verabschiedete, fuhren wir nach Rydal und liefen zu einer kleinen Höhle. Die Aussicht auf die umliegenden Gipfel des Lake District war hervorragend und das omnipräsente Farn leuchtete goldbraun in der Sonne. Danach genossen wir das perfekte Herbstwetter am Windermere-See, welcher der grösste See in England ist und sich komplett im Nationalpark befindet.
Um die Ebene des Sees zu verlassen, mussten wir eifrig Höhenmeter sammeln und der Bildschirm der GPS-Uhr zeigte nach 20 km bereits über 500 m an. Von Sedbergh, welches sich am Rande des Yorkshire Dales National Parks befindet, ging es steig hinauf bis wir Hawes erreichten. Bei der Einfahrt in das kleine Dorf, wurden wir geschockt von den vielen Motorradfahrern die ihre Mittagspause ebenfalls hier geplant hatten.
Nach Hawes stieg die Strasse weiter an und wir fuhren durch offenes Hügelland und entlang von Trockenmauern in denen unzählige Schafe weideten. Ein Highlight während der Fahrt in Richtung Ingleton war das Ribblehead-Viadukt. Die Eisenbahnbrücke aus dem 19. Jahrhundert ist 402 Meter lang und von 24 Bögen getragen. Kurz bevor Clapham fragten wir bei einem Haus, ob wir irgendwo unser Zelt aufstellen dürfen. Der Besitzer sagte nach einer Weile, wir können das Zelt auf seinem Rasen aufstellen. Der Zeltplatz beinhaltete eine beeindruckende Aussicht auf die umliegende Region.
In Manchester durften wir bei Hannah übernachten, welche erst seit kurzem Mitglied von Warmshowers ist und selber begeisterte Zweiradfahrerin ist. Wir besichtigten das Museum of Science and Industry, welches uns in den Themengebieten Naturwissenschaften, Technikgeschichte und Industriegeschichte Manchester näherbrachte. In der Textilindustrie spielte Manchester eine Schlüsselrolle in England und galt als wichtigstes industrielles Zentrum der Welt im 19. Jahrhundert. Die erste kommerzielle Zugstrecke der Welt war von Manchester nach Liverpool und in Manchester wurde der erste Güterbahnhof gebaut. Anschliessend liefen wir durch das Kanalsystem und entdeckten die vielen Backsteingebäude in der eher ruhigen Innenstadt. Zur unserer Freude konnten wir Fabians Schwestern Nadine und Katja begrüssen, die uns in den nächsten zwei Wochen begleiten werden.
Nach der Verabschiedung von Hannah pedalten wir entlang dem Kanal und langsam aus dem Agglomerationsgebiet von Manchester hinaus. Aufgrund flacherem Gelände als die letzten Tage und guter Windrichtung, legten wir vor der Mittagspause bereits um die 90 km zurück. Bis wir unseren Übernachtungsplatz erreichten, waren es schlussendlich fast 150 km, was ein neuer Cape2Cape-Rekord bedeutete.
Unsere Freundin Inês wohnt in Milton Keynes mit ihrem Freund und hat uns ein Übernachtungsplatz angeboten während unserer Durchreise. Seit wir Schottland verlassen haben, steigen die Temperaturen kontinuierlich und wir konnten seit langem wieder mit T-Shirt und kurzer Hose radeln. Bei unserer Ankunft in Newport Pagnell freuten wir uns über das Erreichen der 8’000 km Marke und wurden von Inês kulinarisch verwöhnt. Abends trafen wir Fabians Schwestern auf ein Bier in einem der vielen lokalen Pubs.
Beim Hinausfahren aus Milton Keynes passierten wir mindestens zehn riesige Kreisel und uns wurde beinahe schwindlig. Kurz vor Reading schlossen wir heute die Schlaufe, welche durch Irland und das Vereinigte Königreich führte und wir passierten genau dieselbe Stelle wie schon vor ca. 45 Tagen. Dazumal waren wir von London nach Oxford unterwegs. Dank der Unkompliziertheit eines Bauern, durften wir unsere Zelte direkt neben zwei riesigen Haufen aus Strohballen aufbauen.
Kurz vor dem Start wollten wir unser Geschirr abwaschen und die Wasserflaschen füllen. Somit klingelten wir beim Bauern an der Tür, der uns gestern einen Platz für unser Zelt zur Verfügung gestellt hatte. Wir kamen mit Andy dem Bauern des Hofes und Rod, seinem Bruder ins Gespräch und diskutieren über unsere Reise und die mögliche Entwicklung des Brexit.
Die letzten paar Kilometer nach Portsmouth führten uns durch sehr ländliche Gegenden und den South Downs National Park, der durch seinen wunderschönen Wald in allen Herbstfarben entzückte. In Hayling Island, unweit vom Fährhafen in Portsmouth fanden wir einen schön gelegenen Campingplatz in der Nähe der Küste, wo wir Katja und Nadine wieder trafen. Nachdem wir die letzten Kilometer bis zum Fährhafen hinter uns gebracht hatten, warteten wir im Terminal auf die Fähre und kochten unser Abendessen. In der riesigen Fähre tranken wir unser letztes Englisches Bier und schliefen mit unseren Luftmatratzen im Gang.
Das Vereinigten Königreich ist sicher das Land bis jetzt, wo wir am detailliertesten durchfahren haben. In Wales würden wir im Nachhinein mehr Zeit verbringen und in Schottland hätte uns die «Isle of Skye» gereizt. Dies lag aber aufgrund Joels und unserem Zeitplan nicht drin und wir wollten uns auch etwas aufsparen für den nächsten Besuch. Klar, in England gibt es immer noch viel zu entdecken, aber wir haben sicher schon einige Highlights gesehen. Die Bewohner der Inseln waren allerdings weniger offen als wir uns das im Vorfeld vorgestellt hatten.
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