4. Februar- 18. Februar 2019:
Wir packten unsere kleinen Rucksäcke für die kommenden zwei Wochen auf Kapverden und machten uns mit voller Vorfreude auf zum Flughafen. Fabians Eltern werden gemeinsam mit uns die ehemalige portugiesische Kolonie bereisen. Der erste Flug seit über acht Monaten stand an und wir fühlten uns nicht wirklich wohl dabei.
Vor der Landung in der 600 Kilometer entfernten Hauptstadt Praia sahen wir bereits die ersten Berggipfel der hügligen Inseln, welche unser Wanderherz höherschlagen liess. In der luxuriösen Unterkunft wurden wir bereits von Fabians Eltern Lilo und Peter empfangen und liessen es uns in einem nahegelegenen Restaurant gutgehen. Nach den letzten Wochen ohne jeglichen Luxus kam dieser Wechsel wie gerufen.
Die Landfläche des Archipels ist etwa zehn Mal kleiner als die Schweiz und umfasst 10 Inseln. Ab 1461 nahmen die Portugiesen die damals unbewohnten Kapverdischen Inseln in Besitz und danach wurden viele Sklaven aus Westafrika geholt, um danach weitertransportiert zu werden.
Alle Inseln zusammen beheimaten ungefähr eine halbe Million Menschen. Die Kapverdischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs und weist dadurch einzigartige geologische Formationen auf. Die kreolische Bevölkerung hat ihre Wurzeln in Westafrika sowie in Portugal. Etwa 77% der Bevölkerung sind römisch-katholisch. Seit 1975 ist die Republik Kap Verde unabhängig.
Die Ferien während unseren Ferien starteten mit einem Inlandflug nach São Vincente. Mindelo, die Hauptstadt der Insel, beheimatet 98% der Bewohner. Somit ist ausserhalb der Stadt pure Natur und fast keine Siedlung zu finden. Zu Fuss erreichten wir die Festung, um von dort die Aussicht zu geniessen. Trotz des starken Windes gab es ein paar Fotos, bevor wir in der Stadt ein leckeres Abendessen verschlangen. Die hüglige Landschaft um den Hauptort lädt ein um die Gegend zu Fuss zu erkunden.
Während der Überfahrt mit der Fähre nach Santo Antão , die weniger als eine Stunde dauerte, wurden Tüten verteilt. Angeblich kann die Fähre manchmal ganz schön schaukeln. Ohne grossen Wellengang erreichten wir die westlichste Insel und wurden direkt am Hafen vom Vermieter unserer Unterkunft abgeholt. Dutzende Taxifahrer wollten die Neuankömmlinge zu überrissenen Preisen irgendwo hinfahren. Glücklicherweise konnten wir zu Fuss bis zu unserer Wohnung gehen und lehnten alle Angebote mit «no» ab.
Zum ersten Mal schnürten wir unsere Wanderstiefel. Ein Aluguer (Sammeltaxi) führte uns in einer einstündigen Fahrt durch eine eindrückliche, zerklüftete Bergwelt nach Jorge Luis. Sofort ging es steil bergauf an einem abgelegenen Gehöft vorbei, wo uns ein älteres Paar freundlich grüsste. Auch dass der steil abfallende Weg durch einen Hangrutsch nur erschwert passierbar war, schreckte uns nicht ab. Die meist ausgetrockneten Flüsse hinterliessen bizarre Täler und steil in die Luft ragende Felsen. Dank GPS Daten auf dem Handy fanden wir die richtige Richtung in der einsamen Gegend, obwohl wir den offiziellen Wanderweg verloren hatten. Der Weg erwies sich weiter als angenommen, der Tag ging bereits auf den Abend zu. Die tieferliegende Sonne beleuchtete die zerklüfteten Berghänge in einem warmen Goldton.
Ein äusserst faszinierender Blick von der Passhöhe auf die Felswand Bordeira de Norte beeindruckte uns. In kunstvollen Serpentinen windet sich der gepflasterte Maultierpfad an dieser senkrechten Wand in die Tiefe. Bis heute stellt er für die Bevölkerung eine wichtige Verbindung über den Hauptkamm der Insel dar. 750 Höhenmeter weiter unten sahen wir unser Tagesziel, Chã de Morte, das wir im letzten Dämmerlicht schliesslich erreichten.
Zitat Lilo: «Überlege dir gut, ob du mit drei topfitten Männern eine Bergwanderung machen willst. Die 21 km und knapp 1300 Höhenmeter haben mich an meine Leistungsgrenze gebracht! »
Beim Verhandeln des Fahrpreises quer durch die Insel unterboten sich die Taxifahrer gegenseitig mit dem Preis. Nach heftigen Diskussionen unter den Taxifahrern stiegen wir ein. Trotz Zusage versuchte unserer Fahrer beim Losfahren, den Preis wieder zu erhöhen. Wir liessen uns davon nicht beeindrucken, da er selber die anderen unterboten hatte.
Nun begann eine abwechslungsreiche Fahrt. Der zentrale Gebirgszug trennt den kargen Süden vom grüneren Norden. Die Strasse führt am eindrucksvollen Vulkankessel Cova de Paúl entlang. Auf der Route von dem kleinen Bauerndorf Corda hinab nach Ribeira Grande liegt der wohl meist fotografierte Strassenabschnitt von Santo Antão, der sogenannte Delgadim. Dramatischer geht es kaum. Die in den 1950er-Jahren mühsam in Handarbeit geschaffene Fahrbahn nimmt den schmalen Berggrat völlig ein. Zu beiden Seiten stürzen schroffe Felswände Hunderte von Metern fast senkrecht in die Tiefe. Auch wir liessen uns von diesem Ausblick begeistern.
Vom Balkon des tollen Appartements aus genossen wir einen schönen Blick auf die Berge und die tosende Brandung des Meeres. Wir erkundeten den Ort und genossen das Nichtstun bei einem Apéro auf dem Balkon.
Das Taxi brachte uns in einer einstündigen Fahrt an den Startpunkt in Cruzinha da Garça. Der Weg führte entlang der Steilküste dem in den Ohren brausenden Meer entlang. Das kleine Dorf Corvo ist nur zu Fuss zu erreichen. Für uns unglaublich in welcher Abgeschiedenheit hier Menschen leben. In einer kleinen Bar direkt über der Steilküste gönnten wir uns einen kühlen Drink und konnten tief unten Meeresschildkröten beobachten. Der gepflasterte Fussweg führte geschickt durch die felsige Küste und an manchen Stellen wurde dafür etliche Meter Trockensteinmauern aufgetürmt. Das Dorf Fontainhas mit seinen türkis- oder rosafarbenen alten Häusern ist eines der reizvollsten der Kap Verden.
Die nächste Tour führte 1200 Höhenmeter vom Krater Cova de Paúl abwärts durch ein Zuckerrohranbaugebiet. Das Tal von Paúl gilt als das grünste der ganzen Insel.
Steile Felswände, die dicht mit Nadelbäumen bewachsen sind, dekorieren den uralten Vulkankrater. Sein Grund wird intensiv landwirtschaftlich genutzt mit Mais- und Bohnenanbau sowie Viehhaltung. Völlig überrascht staunten wir über die zahlreichen mit wassergefüllten Bewässerungskanäle, Levandas genannt die wir während dem Abstieg bestaunten. Unterwegs kamen wir inmitten von Kaffeepflanzen, Mangobäumen und Bananenstauden an einem Stand vorbei, der mit der Vielfalt der angebotenen Produkte überraschte: Guaven, Kaffeebohnen, Bananen, diverse Schnäpse, getrocknete Mangos, Tee aus Avocadoblättern oder Gebäck – alles aus einheimischer Produktion. Natürlich mussten wir davon degustieren. Die zahlreichen begrünten Terrassen in den steilsten Hängen liessen uns immer wieder staunen. Wasser ist hier im Überfluss vorhanden. Die Bachbetten sind von unzähligen Yamspflanzen übersät. Die Bauern müssen für die Bewirtschaftung oft weite steile Fusswege in Kauf nehmen.
Nach dieser Wanderung können wir definitiv bestätigen, dass Santo Antão ein Paradies für Wanderer darstellt.
Die eher anstrengenden Wanderungen machten sich langsam bei allen bemerkbar und wir entschieden uns einen ruhigeren Tag einzulegen. Während die reduzierte Familie Keller sich das lebendige Treiben am kleinen Hafen anschaute und sich im Wasser abkühlte, rannte Adrian auf den Hausberg und entdeckte die Pfade der dortigen Hirten. Die kleinen Fischerboote kehrten voll mit frischen Fischen zurück. Diese wurden direkt nach dem Ausladen ausgenommen und an Frauen des Dorfes verkauft.
Nach einmaligem Umsteigen erreichten wir eine traditionelle Rumbrennerei, die uns von einem Einheimischen empfohlen wurde. Der Eingang der grossen Destilliere war schwer zu finden. Darum standen wir plötzlich neben der Zuckerrohrpresse und dem Feuer mit dem der gegärte Zuckerrohrsaft mehrmals destilliert wird. Der starke Zuckerrohschnaps wird Grogue genannt und ist ein Traditionsprodukt von Kap Verde. Der 84-jährige Besitzer erklärte uns kurz das Prozedere bevor er uns einige Produkte zum Probieren anbot. Der abgekartete Verkäufer kam uns mit dem Preis nicht wirklich entgegen und kassierte unsere Scheine ohne mit der Wimper zu zucken. Mit ein paar Rumfläschchen mehr im Gepäck, suchten wir uns ein Sammeltaxi zurück nach Porto Novo. Die Fähre zurück nach Mindelo verlief ruhig und alle hatten Lust auf eine Pizza. Der Flug nach Praia verlief ohne grosse Zwischenfälle, jedoch musste ein Schweizer Taschenmesser bei der Handgepäckkontrolle daran glauben.
Im Minibus befand sich neben unserem Gepäck ausserdem ein Eimer frischer Fische im Kofferraum, welcher uns daran erinnerte wieso man keinen Duftbaum mit Fischgeschmack im Auto hängen hat.
In São Domingos marschierten wir in Richtung Rui Vaz, unser Ausgangsort der Wanderung. Ein Geländewagen fast voll geladen mit Milchbehältern nahm uns sogar noch ein Stück weiter mit als das kleine Bergdorf und wollte nicht einmal Geld dafür. Von dort liefen wir durch den Naturpark Santo António, welcher viele Eukalyptusbäume und Sträucher beheimatet. Für uns war das Ziel der Pico da Antónia (1’392m), welcher nur über einen abschüssigen und rutschigen Pfad erreichbar ist. Die eine Seite des Berges fällt senkrecht bis weit ins Tal ab und die Begehung verlangt definitiv Schwindelfreiheit. Zurück beim Ausgangsort sahen wir, dass dort wo unser Fahrer die Milch abgeladen hatte, eine traditionelle Ziegenkäserei war.
Schnell fanden wir ein Aluguer, welches uns bis Assomada mitnahm. Dort schlenderten wir durch den bunten und vielfältigen Markt. Riesige Thunfische die höchstwahrscheinlich am selben Morgen noch im Atlantik schwammen, wurden mit unscharfen Messern in zwei geteilt und verkauft. Mehrfach sahen wir wie viele verschiedene Gemüsearten auf diesen doch sehr trockenen Inseln wachsen. Nach einer längeren, jedoch spannenden Wartezeit fuhren wir am Nachmittag mit einigen Einheimischen nach Tarrafal.
Nachdem wir die letzten Tage viel unterwegs gewesen waren und uns sportlich viel betätigt haben, gönnten wir uns einen Tag am wunderschönen Sandstrand im kleinen Fischerdorf. Viele Einheimische versuchten den Touristen, die ihre weissen Körper in den für westliche Standards attraktiven Teint umwandelten, diverse Snacks und vor allem Kokosnüsse anzudrehen. Ab und zu begaben wir uns in das relativ warme Wasser um in den teilweise grossen Wellen zu baden und zu schwimmen.
Von einer Freundin hörten wir, dass es möglich ist mit einem einheimischen Fischer aufs Meer zu fahren, um zu sehen wie auf den Kap Verden gefischt wird. Voller Elan klapperten wir den Strand ab, auf der Suche nach einem geeigneten Fischermeister. Nach längerer Suche und einigen Diskussionen fanden wir einen Fischer der innerhalb von einigen Minuten auf unseren Preisvorschlag einschlug und eine halbe Stunde später war sein Boot bereit.
Ausgerüstet mit Flossen, Taucherbrille, Schnorchel, Köder, Schnur und einem prähistorischen Anker, lenkte der selbstsichere Kapitän unser kleines Boot aufs offene Meer. Der starke Wind peitschte das Oberflächenwasser ins Boot und wir waren relativ schnell ziemlich nass und plötzlich nicht mehr so motiviert ins Wasser zu gehen. Während der erfahrene Fischer seine Angel präparierte, überwand sich die Jungmannschaft und erkundete die Unterwasserwelt. Währenddessen zog der wackere Fischer unerwartet drei mittelgrosse Fische aus dem Wasser und setzte uns alle in grosses Erstaunen. Motiviert von unserem Jubel holte er nochmals einige Fische aus dem Wasser und posierte stolz für unsere Kameras. Auch wir versuchten unser Glück, doch nur Adrian schaffte es zwei Zackenbarsche und eine Moräne aus dem schäumenden Meer zu ziehen. Müde und eine authentische Erfahrung reicher, brachten wir den Fisch beim Restaurant der Mutter des Fischers vorbei und durften zwei Stunden später unseren leckeren Eigenfang geniessen.
Wettertechnisch konnten wir uns bisher nicht beschweren, auch wenn manchmal die Sonne hinter den Wolken versteckt blieb. Wir entschieden uns eine Wanderung zu einem nicht allzu weit entfernten Leuchtturm zu unternehmen. Auf dem Weg zum Leuchtturm war plötzlich etwas weit weg im Wasser zu sehen. Zuerst meinten wir es wären Wale, doch es stellte sich heraus, dass es einige verspielte Delfine waren.
Erstaunlich schnell füllte sich unser Sammeltaxi und wir waren abfahrbereit. Der Minibus war zum ersten Mal bis auf den letzten Sitzplatz belegt und für Kurzstrecken mussten einzelne Fahrgäste sogar stehend, jedoch gebückt ausharren. Kleinkinder wurden irgendwie auf die sitzenden Frauen verteilt und alle amüsierten sich köstlich über die unbequeme Transportmöglichkeit. Gasflaschen, Blumentöpfe und Getränkekartons wurden irgendwie im Gefährt ohne eigentlichen Stauraum platziert.
In Pedro Badejo assen wir zum letzten Mal in einem Einheimischen Restaurant, welches wir samt Gepäck durch die Küche betraten. Nach dem Besuch des bunten und lebendigen Stadtmarktes in Praia fuhren wir gemeinsam zum winzigen Flughafen. Nach dem Einchecken bedankten wir uns herzlich bei Lilo und Peter für die schönen zwei Wochen und das grosszügige Sponsoring der Unterkünfte und Mahlzeiten. Wir genossen die zweiwöchige Pause auf den Kapverdischen Inseln sehr, aber freuen uns natürlich gleichzeitig auf die Weiterfahrt mit den Rädern.