20. Januar 2019 – 4. Februar 2019:
Der Austritt aus Mauretanien sowie der Eintritt in den visumfreien Senegal gingen schnell und während der Wartezeit tauschten wir unsere letzten Ouguiya gegen CFA-Franc ein.
Nach der Grenzbarriere erwartete uns seit langem wiedermal eine qualitativ hochstehende Asphaltstrasse. In St.Louis assen wir das Nationalgericht «Tieboudienne», welches Fisch, Reis, Tomatensauce, Knoblauchpaste, Maniok und andere Gemüse enthielt für nicht einmal einen Euro pro Person. Dazu gab es einen extrem süssen Hibiskussaft. Gesättigt verabschiedeten wir Jörg, der sich in St.Louis eine Bleibe suchte.
Seit ein paar Tagen war weniger der Sand das Problem für unser Material, sondern die Dornen und Stacheln überall. Fabian erwachte am Morgen und seine Luftmatratze hatte kaum mehr Luft und somit war seine Nacht nicht sehr komfortabel.
Da wir am Vortag keinen Bankomaten fanden, musste unser Frühstück noch ein wenig warten. Im ersten grösseren Ort konnten wir Geld, SIM-Karten und ein Frühstück mit lokalem Kaffee organisieren. Ausserdem freuten wir uns wieder Früchte zu essen nach der langen Zeit in der Wüste ohne jegliche frischen Produkte. Leider realisierten wir schnell, dass auch im Senegal die meisten Früchte importiert werden. Die Bananen aus der Elfenbeinküste, die Mandarinen aus Marokko und die Äpfel sogar aus Frankreich.
Schon bald bemerkten wir was der Landeswechsel mit sich brachte. Die Frauen trugen farbige Kleider, alles war viel grüner und die meisten Leute lebten in Häusern und nicht mehr in Hütten oder Baracken. Die Moscheen jedoch waren immer noch in jedem Dorf vorhanden. Die Lastwagen und Busse waren noch ein wenig mehr überladen, da es deutlich mehr Menschen gab als noch in Mauretanien.
Eines Morgens lief ein Mann freundlich grüssend an unserem Zelt vorbei mit etwa 50 Kühen und Ziegen. Der Verkehr nahm stetig zu je näher wir der Hauptstadt Dakar kamen. In Thies wurde unsere Manövrierfähigkeit das erste Mal in einer Senegalesischen Stadt auf die Probe gestellt. Im Senegal fiel uns sofort auf, dass viel mit Hilfe eines Pferdes oder Esels transportiert wird und diese Karren nahmen ganz normal am Verkehr teil. Die Abgase und der rollende, chaotische Verkehr waren zwar nicht einfach zu meistern, aber wir wichen allen Hindernissen aus. Unsere Warmshowers Gastgeber Marie-Julie und Michael zeigten uns unser Zimmer, wir duschten uns und genossen die leckere Lasagne mit Freunden des Paares.
Wir genossen den Ruhetag in der grossen Wohnung und erholten uns von den Strapazen der letzten Tage. Ausserdem waren wir beide gesundheitlich ein wenig angeschlagen und hatten das erste Mal Probleme mit dem Magen.
Mit dem Erreichen von Dakar haben wir definitiv einen weiteren Meilenstein unserer Reise geschafft. Bereits 15’000km haben wir mit unseren Fahrrädern zurückgelegt und sind durch 14 Länder geradelt.
Am Vorabend sind Adrians Eltern in Dakar gelandet, um zusammen mit uns für zwei Wochen den Senegal zu erkunden. Darum packten wir ausnahmsweise unseren Sachen in den kleinen Rucksack und verabschiedeten uns von Michael und Marie-Julie. Mit lokalem Bus und Buschtaxi genannt «sept places» oder «Taxi brousse» erreichten wir Thies, wo wir Rita und André trafen. Seit Barcelona verging eine Weile, somit wurde viel erzählt und diskutiert. Später organisierten wir einen Platz in einem grossen Bus «Ndiaga Ndiayes», der uns nach St.Louis brachte. Dort liefen wir zum Strand der schmalen Landzunge «Langue de Barbarie» um den Sonnenuntergang in der armen Gegend der Insel zu sehen. Danach erkundeten wir die alten Kolonialgebäude auf der «Ile St.Louis». Die ehemalige Hauptstadt von Französisch-Westafrika ist ebenfalls die älteste Französische Stadt in Schwarzafrika.
Mit Airbnb haben wir auf der Ile St. Louis eine wunderbare Unterkunft gefunden. Das Gastgeber-Paar konnte uns wertvolle Tipps für die Weiterreise vermitteln. Nach einem ausgiebigen Frühstück unter Palmen und einem letzten Spaziergang durch das ‘Venedig Afrikas’, liessen wir den Aufenthalt in St. Louis ausklingen.
Der Bus-Bahnhof war am Vormittag rege belebt. Wir kämpften uns zu den ‘sept-places’ durch und verhandelten einen angemessenen Preis für die fünfstündige Fahrt nach Kaolack. Das Spezielle war, dass Buschtaxis erst losfahren, wenn alle sieben Plätze verkauft sind. Dies war nach einer weiteren Stunde endlich der Fall. Auch eine Ziege hatte ihren Platz auf dem Dach gefunden – sie schien jedoch nicht besonders glücklich zu sein. Diese Tatsache bekam Fabian später mit einer unfreiwilligen «Erfrischung» vom Dach des Fahrzeuges zu spüren, weil unglücklicherweise die Türe nicht dicht war.
Die eher karge Savannenlandschaft mit den kahlen Affenbrotbäumen (Baobabs) wurde während der anstrengenden Fahrt durch grüne Bäume und weiter südlich wieder durch trockene Landschaft abgewechselt.
Bei jedem Zwischenstopp sind unzählige Kinder auf uns zugeströmt, um etwas zu verkaufen oder eine bettelnde Hand auszustrecken. «Cadeaux, Cadeaux» aus aller Munde. Immerhin gab es auch leckere, lokale Erfrischungen wie der Saft des Baobab-Baumes.
Nach einer Nacht in einem alten, eher heruntergekommenen Hotel suchten wir uns einen Transport in Richtung Niokolo-Koba Nationalpark. Der Taxifahrer der uns zum Busbahnhof fuhr, fragten wir beiläufig, ob wir hier auch ein Geländefahrzeug mieten könnten. Er meinte das sei kein Problem und tätigte ein paar Anrufe. Eine Stunde später und um einige Tausend Franc leichter, hielten wir einen Schlüssel für einen Ford Escape, ausgestattet mit 4×4, in der Hand. Auf dem Weg wechselten wir uns am Steuer ab, damit alle die Senegalesischen Strassen erleben konnten. Fast 350 km später erreichten wir den langersehnten Parkeingang und fanden heraus, dass wir trotz Anbruch der Dunkelheit noch den hohen Eintrittspreis für den ganzen Tag bezahlen müssten. Aus diesem Grund schliefen wir in einer einfachen, aber schön eingerichteten Unterkunft ein paar Meter vor dem Park.
Wir bezahlten den Eintritt des Parks für uns vier, das Auto und den obligatorischen Parkführer. Zuerst fuhren wir in Richtung des Flusses Gambia, welcher lange nicht so viel Wasser führt wie zur Regenzeit. Auf dem Weg sahen wir bereits die ersten Antilopen-Arten und Warzenschweine. Viele bunte Vögel sassen auf den Ästen und flogen über unsere Köpfe. Wir fühlten uns wie in einem typischen Safarifilm, bei dem Weisse mit Funktionskleidung mit Einheimischen deren Land entdeckten. Bei der Mittagspause sahen wir am anderen Ufer des Flusses sogar ein Krokodil und viele Affen tummelten um die traditionellen Strohhäuser. Auf den über 100 km, teils sehr schwierig zu befahrenen Pisten, hatten wir eine enorme Abwechslung erlebt; mal fuhren wir entlang von dichten Bambuswäldern, mal mitten durch ein rauchendes Buschfeuer und plötzlich war die ganze Umgebung im tiefgrünen Kleid, weil der Gambia-River in der Nähe war. Am Ende des Tages waren wir erschöpft aber glücklich von den vielen naturnahen Eindrücken und legten uns wie in der Nacht zuvor in das Bett der kleinen Hütte mit Strohdach.
Mit einem relativ staubfreien Auto starteten wir die Rückreise nach Kaolack. Auf dem Rückweg erblickten wir Einheimische, ausgerüstet mit Macheten und einer langen Bambusstange. Schnell stellte sich heraus, dass die Männer hinter den Kokosnüssen und Palmenblättern her waren. Wir gingen davon aus, die lange Stange, inklusive einem Hacken an der Spitze, wird dazu benutzt die Früchte zu ernten. Weit gefehlt! Der Hacken wurde circa 15 Meter in der Palmenkrone verankert und diente als Leiter zur waghalsigen Ernte von Kokosnüssen und Palmblättern.
Ein paar Kilometer weiter, zehrte uns plötzlich ein schlagendes Geräusch aus unseren Tagträumen und stellte sich als Reifenpanne heraus. Mit der verbleibenden Luft im Reifen erreichten wir ein sehr kleines, simples Dorf. Kaum ausgestiegen, waren wir vom ganzen Dorf umringt. Ein vorbeireisender Mopedfahrer kam uns sogleich zu Hilfe. Leider wusste niemand wie das Ersatzrad unter dem Auto entfernt werden konnte. Somit mussten wir auf den Mechaniker aus der nächsten Stadt warten und hatten genügend Zeit das Geschehen des einfachen Dorfes zu erleben. Das gegenseitige Interesse ermöglichte unzählige Porträts und Gruppenfotos. Einige Mädels verzogen sich kurzerhand in ihre Hütte und schminkten sich die Lippen mit einer roten Frucht.
Infolge der Panne fuhren wir in die Nacht hinein und schliefen in der erstbesten Unterkunft, auch wenn kein fliessendes Wasser und Strom vorhanden waren. Die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes, nicht in der Nacht zu fahren, sind nicht unbegründet. Viel Verkehr mit ungenügender bis hin zu keiner Autobeleuchtung und fehlenden Strassenlaternen machte die Fahrt zu einer regelrechten Tortur.
Vor der Autorückgabe hatten wir einige Bedenken, da wir nicht den ganzen Staub aus dem Auto entfernen konnten und es doch mehrere Kratzer von den heraushängenden Ästen bei der Nationalparkdurchfahrt gab. Der erfolglose Versuch, dem Vermieter die Kosten für den Reifenwechsel und den neuen Ersatzreifen aufzubrummen, endete trotz einer hitzigen Diskussion friedlich. Der Vermieter respektierte unsere Verhandlungsversuche und fuhr uns schlussendlich sogar persönlich zum Busbahnhof, wo wir ein weiteres Sammeltaxi nahmen. In Toubacouta wechselten wir auf Motorräder und flitzten auf staubigen Pisten zum kleinen Fischerdorf Missira. Dort bot uns ein Einheimischer seine minimal ausgestattete Hütte als Unterkunft an und kochte uns ein traditionelles Abendessen.
Bereits am Vorabend bemerkten wir, wie unser Gastgeber uns auf Schritt und Tritt folgte und wir sagten ihm, dass er zu aufdringlich sei. Beleidigt und in seinem Stolz verletzt, hörten wir bis zu unserer Abreise nichts mehr von ihm. Um die Gegend zu erkunden, liefen wir einige Kilometer dem Schwemmgebiet des Sine-Saloum-Deltas entlang und sahen Affen, Krebse und viele Vögel.
Am Nachmittag genossen wir ein kühles Bier im Schatten des ältesten Kapokbaumes Westafrikas. Die Altersbestimmung ergab ein Alter des Baumes von 800 Jahren. Die riesigen Wurzeln und Äste erinnerten an Bilder des Dschungelbuches.
Am Abend zuvor organisierten wir eine Bootsfahrt durch die Mangrovenwälder des Sine-Saloum Nationalparks. Während der Fahrt durch die dichten Wurzeln, konnten wir verschiedene Vögel beobachten.
Wir kehrten dem kleinen Dorf den Rücken und suchten eine Transportmöglichkeit zurück nach Kaolack. Ein Touristenbus und ein im Schneckentempo fahrender Bus führten uns in die Stadt der Erdnüsse. Schnell fanden wir einen «sept places», der uns in Richtung Dakar transportierte. Der fehlende Platz während der Fahrt und die heissen Temperaturen um die 35 Grad steigerten unser Bedürfnis schnell anzukommen.
Abdoulaye und seine Familie empfingen uns herzlich und kochten gleich ein leckeres Abendessen für uns. Die sehr authentische Unterkunft fanden wir über Airbnb und genossen das schöne Zuhause.
Die heissen Temperaturen veranlassten uns nicht zu viel Zeit in der Sonne zu verbringen und den schönen Garten unserer Gastgeber zu geniessen. Trotzdem liefen wir zum Stand, um die touristische Seite des Landes näher zu betrachten. Wie erwartet begegneten uns plötzlich viele Europäer und ein Ferienhaus reihte sich ans Nächste an der Strandpromenade. Einige Fischer hievten ihre schweren Fischerboote zurück an Land und sahen aus, als bräuchten sie Verstärkung. Nachdem wir halfen zwei Boote an Land zu schieben, gaben uns die Fischer als Dank einen frischen Fisch. Wir konnten die nette Geste schlecht ablehnen und suchten uns im Sand einen gebrauchten Plastiksack, um den Fisch zu transportieren.
Zum Frühstück gab es eine köstliche, frisch zubereitete Sardinenpaste mit Baguette. Eine weitere köstliche Mahlzeit mit dem geschenkten Fisch und Reis wurde uns von der authentischen und aufgeweckten Familie serviert, bevor wir uns in Richtung Dakar verabschiedeten. Auf dem Weg wechselten wir mehrmals die Transportmittel und schafften es zu einem Spottpreis für über vier Stunden zu reisen. Sobald wir die Vororte Dakars erreichten nahm der Verkehr stetig zu und bald sassen wir im hupenden, qualmenden und gefährlichen Stau fest. Plötzlich sahen wir unweit von der Strasse eine Strassenschlaft, bei welcher sich zwei Gruppen mit Steinen und anderen Dingen bewarfen. Man erklärte uns lachend, das sei normal und es handle sich um Fussballfans zweier rivalisierender Teams.
Hungrig und erschöpft erreichten wir Michael und Marie-Julies Wohnung, bei welcher wir alle vier unterkommen konnten. Unsere Freude auf eine «richtige» Dusche seit längerer Zeit wurde schnell gebremst als wir erfuhren, dass die ganze Stadt Dakar über kein fliessendes Wasser verfügte. Gemeinsam gönnten wir uns ein vorzügliches Essen am Meer und rekapitulierten unsere erlebnisreiche Reise.
Wir tauschten die letzten Gegenstände mit Adrians Eltern aus, die wir nach Hause geben wollten. Ausserdem brachten sie einige Ersatzmaterialien für unsere Weiterfahrt in Westafrika.
Danach liefen wir zum Leuchtturm der unweit der Unterkunft auf einem Hügel liegt. Von dort konnten wir die Halbinsel, auf der sich Dakar befindet, gut überschauen. Anschliessend begaben wir uns zu einer grossen Moschee, die nahe am Meer gebaut wurde. Sogar am Sonntag waren viele Fischer am Strand mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt. Einige zerlegten frisch gefangene Fische, andere reparierten eifrig die Fischernetze für den nächsten Tag. Auf dem Rückweg gönnten wir uns ein Bier mit Sicht auf den Sandstrand. Am Abend verliessen Rita und André den Senegal nach elf Tagen wieder in Richtung kalte Schweiz. Die letzten paar Tage waren sehr interessant und wir durften viele schöne Orte des Landes zu viert erleben.
Der Wasserunterbruch im Grossraum Dakar hielt weiterhin an und somit musste die Körperhygiene weiter nach hinten verschoben werden. Wir packten unsere kleinen Rucksäcke für die kommenden zwei Wochen auf Kapverden und machten uns mit voller Vorfreude auf zum Flughafen. Fabians Eltern werden gemeinsam mit uns die ehemalige portugiesische Kolonie bereisen.
–>Weiter mit Kapverden
18. Februar – 25. Februar 2019:
Die verstaubten Fahrräder mussten wieder auf Vordermann gebracht werden. Fabian wechselte seine Kassette, Kette und tauschte den Hinterreifen mit dem Vorderen aufgrund der ungleichmässigen Abnützung. Einer der Ersatzreifen den wir in Sevilla gekauft hatten montierte er am Hinterrad.
In Dakar und Senegal generell sieht man überall das Symbol zweier verschleierter Männer, einer in Weiss und der andere in schwarz gekleidet. Dieses Symbol kann man auf Bussen, Shops und Wänden erkennen. Diese Männer stehen für den Erfinder des Muridismus. Seit die Strukturen der Kolonialmacht verschwanden, stieg diese Sufi-Bruderschaft zu einer der einflussreichsten Kräfte in Wirtschaft und Gesellschaft im Senegal auf. Für Muslimische Männer ist es in dieser Region Afrikas völlig normal bis zu vier Frauen zu haben. Zum Teil leben diese Grossfamilien sogar unter einem Dach.
Adrian hatte bei der Fahrt nach Dakar Probleme mit seiner Schaltung. Der Schaltmechanismus am Lenker reagierte nicht auf die Schaltbewegung der Hand. Somit konnte nicht mehr vom tieferen in das höhere Kettenblatt an der Tretkurbel gewechselt werden. Darum suchte Adrian mehrere Fahrradmechaniker auf, welche sich einig waren, dass die Schaltung am Lenker beschädigt wurde und idealerweise ersetzt werden sollte. Dieses Ersatzteil war in Dakar jedoch unmöglich zu finden und darum mussten die drei Mechaniker im dritten Fahrradladen ihre Kreativität einsetzen. Im Senegal müssen die Leute mit einfachen Mitteln ihre Autos, Handys etc. reparieren und aus diesem Grund wurde schnell eine temporäre Lösung gefunden. Es wurde ein Ventildeckel am richtigen Ort eingespannt und somit konnte wieder ohne grössere Probleme geschaltet werden.
Wir verabschiedeten uns von Michael und Marie-Julie, die uns mehrere Male in den letzten Wochen bei sich aufgenommen hatten und uns ein schönes Zuhause anboten. Wir hoffen das lebendige und sympathische Paar irgendwo wieder anzutreffen.
Mental noch nicht ganz bereit weiterzufahren, packten wir unsere Taschen und begaben uns auf die staubigen und mit Abgasen vernebelten Strassen. Vor jedem Kreisel staute sich die Fahrzeuglawine mehrere hundert Meter und wir mussten uns durchkämpfen. Meistens war zwischen den Fahrzeugen genügend Platz, damit wir mit unseren Fahrrädern durchpassten und somit viel schneller vorwärtskamen als die restlichen Verkehrsteilnehmer. Nach etwa zwei Stunden verliessen wir die letzten Vororte Dakars und konnten endlich durchatmen ohne gleich Angst zu haben, Krebs zu bekommen.
Die ungewohnte Hitze, die Temperatur war um die 35 Grad, machte uns zu schaffen und wir legten eine Verschnaufpause unter den Bäumen eines lebendigen Dorfes ein. Am frühen Nachmittag erreichten wir Nguerigne, wo wir Abdoulaye und seine Familie besuchten. Mit Adrians Eltern übernachteten wir bereits in seiner bescheidenen Unterkunft für zwei Nächte und wurden Freunde. Wir durften im Garten unser Zelt aufstellen und seine Frau kochte ein leckeres Abendessen für uns.
Anstatt direkt weiter zu fahren, entschieden wir uns einen Pausentag einzulegen und den gemütlichen Garten mit Hängematte zu geniessen. Wir erzählten der Familie von unseren Abenteuern der letzten Wochen und unterhielten uns über die am Wochenende abgehaltenen Wahlen. Am Nachmittag durften wir ein weiteres Interview mit Radio Sunshine machen und entspannten uns zusammen mit der Familie im kühlen, windigen Schatten. Am Abend versammelte sich die ganze Familie auf dem Teppich vor dem viel zu lauten Fernseher und ass traditionellerweise mit den Händen. Immer freitags gibt es in vielen Muslimischen Ländern Couscous-Gerichte und es wird in der Moschee gebetet. Für uns war es interessant zu beobachten wie viele verschiedene Nachbarn, Schulfreunde der Kinder und Freunde der Eltern den ganzen Tag ein und aus gingen. Gewisse Besucher kamen nur, um ein bisschen vor dem Fernseher zu entspannen und andere um zu quatschen.
Nach einem schönen Tag mit der Familie Abdoulaye’s verabschiedeten wir uns leider schon wieder und begaben uns auf die sandigen Strassen Senegals. Beim Verabschieden gab uns Abdoulaye absichtlich die linke Hand, was bedeutet, dass man sich wiedersieht.
In Sali, einem Touristenort für Toubabs (Weisse), sahen wir viele Europäer die ihre Ferien in nicht authentischen Luxushotels und Ferienanlagen verbringen. Ausserdem werden die einheimischen Muslime indirekt zur Prostitution, dem Servieren von ungesundem westlichem Essen und Alkohol gezwungen.
Um einen Fluss zu überqueren, mussten wir eine Fähre auf die andere Seite nehmen. Wie alle Transportmittel, wurde auch die Fähre überladen und man konnte sich nicht mehr bewegen. Bei einer Frau, ausgerüstet mit einem Plastikstuhl, einer selbstgebauten Fritteuse und einem kleinen Tisch assen wir je zehn Gebäcke mit einer Zwiebelsosse für weniger als einen Franken. Unseren ersten Übernachtungsplatz in der Wildnis, seit der längeren Pause, fanden wir zwischen einem Affenbrotbaum und einem Cashewbaum.
Während dem Verzehr einiger Brote mit Schokoladenaufstrich unterhielten wir uns mit Dorfbewohnern, die uns stolz ihren pinkfarbenen Finger zeigten. Diese Einfärbung bedeutete, dass sie bereits ihre Stimme an einen der fünf Präsidentschaftskandidaten für die Präsidentschaftswahl abgelegt hatten. Offen und wie immer sehr enthusiastisch gaben die Männer ihre Favoriten preis.
Am Grenzort Karang angekommen, wurden wir am Dorfeingang von zwei Jungs, welche mit der Polizei im Schatten sassen, gestoppt und gefragt wo wir übernachten wollen. Wir erfuhren, dass die Grenze wegen den Wahlen geschlossen war und wir gerne bei ihrer Familie übernachten konnten. Dankend nahmen wir die Einladung, welche nicht ganz ohne geschäftliche Hintergedanken war, an und assen ein leckeres Abendessen mit der Familie und konnten unser Zelt auf dem Betonboden des Innenhofes aufstellen.
Die Grenze nach Gambia war nun nur noch 200m entfernt und die Ausreise war im Nu erledigt.
–>Weiter mit Gambia
23. Februar – 26. Februar 2019:
Kurz nach der Ausreise aus Gambia folgte der Senegalesische Polizeiposten, bei welchem sie uns fragten wohin wir wollten und wieso wir hier waren. Die gleichen Antworten wie immer folgten und wir verabschiedeten uns wieder. Schnell fiel uns auf, wie die Landschaft grüner wurde. Links und rechts der Strasse sahen wir dichte Büsche und es gab viele dicke, hohe Bäume mit skurrilen Formen zu beobachten. Neben dem offensichtlichen Wechsel der Sprache, reagierten die Kinder überhaupt nicht mehr auf unsere Durchfahrt und schauten nur verdutzt.
In Ziguinchor, der grössten Stadt der Casamance, welche das Gebiet südlich von Gambia für sich beansprucht, bekommt man das Visum für Guinea-Bissau. Bei der Botschaft angekommen, war niemand da und eine handgeschriebene Telefonnummer hing an der rostigen Eingangstür. Gerade als wir die Nummer anrufen wollten, hielt ein brandneuer Mercedes vor uns und der angeblich zweihöchste Mitarbeiter stieg aus. Er meinte wir können ihm zu sich nach Hause folgen und dort bekämen wir das Visum innerhalb von 20 Minuten. Dort angekommen bezahlten wir den freundlichen, kurzangebundenen Botschaftsmitarbeiter und bekamen das einmonatige Visum im Nu.
Von unseren Freunden Inga und Kenneth erhielten wir den Tipp ein Boot bis nach Pointe Saint George zu nehmen, um dort am Flussufer zu entspannen. Anscheinend kann man sogar Delphine und Seekühe vom Ufer beobachten. Am Hafen erfuhren wir jedoch, dass wir die tägliche Piroge (ein einfaches, kleines Holzboot) verpasst hatten und entschieden uns auf dem Landweg diesen Ort zu erreichen. Trotz Gegenwind kamen wir gut vorwärts und trafen sogar einen Tunesischen Tourenfahrer an, der ebenfalls mehrere Monate durch Afrika radelt und den Touristenort Cap Skirring als nächstes Ziel hatte.
Kurz bevor wir von der Hauptstrasse abbogen, um die Piste bis zum Fluss in Angriff zu nehmen, deckten wir uns mit einer Mahlzeit ein. Das Restaurant war mit etwa sechs riesigen Lautsprechern ausgestattet, die in voller Lautstärke dröhnten und man konnte kein Wort austauchen ohne sich heiser zu schreien. Für uns waren die angetrunkenen Jungs und das servierte Schweinefleisch sehr ungewohnt, da wir seit langem wiedermal in einer von mehrheitlich Katholischen Leuten bewohnten Gegend unterwegs waren.
Die anschliessende Piste war zu Beginn gut befahrbar, da eine neue Strasse gebaut wird. Die zweite Hälfte jedoch, war eine extrem sandige und unmöglich zu befahrene Piste. Schnell wichen wir auf die Seiten aus um wenigstens ab und zu fahren zu können. Natürlich wurde es auch schnell einmal dunkel und dies machte die ganze Situation um einiges schwieriger. Wir kamen ein paar Mal völlig ab vom Weg und landeten in irgendwelchen Feldern und mussten unsere beladenen Fahrräder durch die zerfurchten Bewässerungskanäle stossen. Gefühlte fünf Stunden später und bei völliger Dunkelheit erreichten wir das kleine Dorf. Ein zuvorkommendes einheimisches Paar übergab uns sogar noch einen Schlüssel für eine Toilette in einer nicht fertiggestellten Hütte und zeigte uns wo wir das Zelt direkt am Wasser aufstellen konnten.
Den Pausentag direkt am Fluss Casamance haben wir uns nach dieser Tortur mit der Sandpiste und den über 100 km verdient. Wir genossen die frische Brise, wuschen uns im sehr salzhaltigen Wasser und beobachtet die sporadischen passierenden Boote und vorbeifliegenden Vögel.
Der Einheimische der uns am Abend zuvor unser Schlafplatz gezeigt hatte, bot uns an eine Tour um das Dorf zu machen und ein Abendessen zu organisieren. Er zeigte uns wie man Palmwein herstellt und wir durften an mehreren Orten probieren. Der durstige Guide kippte das Zeug runter wie Wasser und schwankte schon alarmierend auf dem Rückweg zum Dorf. Das Abendessen mit der Familie war köstlich und wir beobachteten wie der Palmwein in Strömen floss und wir verstanden das Französisch von Jacques immer schlechter.
In diesem Teil Senegals leben die Diola, ein Stamm der nicht wie der Rest des Landes muslimisch ist, sondern mehrheitlich katholisch. Darum kann man überall frei herumlaufende Schweine beobachten und Alkohol ist omnipräsent. Ein typisches Handwerk der Diola ist der Reisanbau und das Gewinnen von Öl und Wein aus Ölpalmen. Die Region Casamance ist die Kornkammer Senegals mit unzähligen Felder so weit das Auge reicht. Die Diola sind bekannt für ihre einzigartige Architektur und man findet sogar zweistöckige Gebäude, was für traditionelle Häuser höchstselten ist.
Eine Art Sprungturm diente uns heute als Aussichtsplattform und Frühstücksplatz zugleich. Durch die geniale Umsicht konnten wir Seekühe, Delphine und Schildkröten sehen, wie sie nahe des Ufers nach Luft schnappten. Anschliessend packten wir unser Material und liefen dem Strand entlang bis zum Militärstützpunkt, von wo die Piroge zurück nach Ziguinchor fährt. Eine Gruppe Franzosen wartete auf dasselbe Boot und waren erstaunt uns mit den Fahrrädern zu sehen. Mit aller Kraft verfrachteten wir unsere Fahrräder inklusive Gepäck in ein kleines Gummiboot und anschliessend in das grosse, bereits mit über 40 Personen gefüllte Holzboot. Während der zweistündigen Fahrt, welche total nur etwa fünf Euro kostete, sahen wir Delphine und eine Menge unterschiedlicher Vögel. Nach einer heissen, aber interessanten Fahrt erreichten wir die Grossstadt, verpflegten uns und fuhren weiter in Richtung Guinea-Bissau. Die wenig frequentierte Grenze war schnell erreicht und wir amüsierten uns köstlich, dass das französische Wort für Stempel «tampon» hiess und machten Scherze mit den uniformierten Grenzbeamten.
Im Senegal verbrachten wir nicht so viel Zeit auf dem Fahrrad und fuhren eher auf Hauptstrassen an der Küste entlang. Dadurch kamen wir nicht viel in abgelegenen Dörfern unter und so konnten wir die hochgelobte Gastfreundschaft nur selten erleben. Zum ersten Mal in Afrika besuchten wir einen Nationalpark und sahen unsere ersten wilden Tiere. Senegal ist definitiv ein vielfältiges Land, wo man viele Kulturen entdecken kann.
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