24. August – 5. Septemer 2018:
Nach einigen wenigen Stunden Schlaf stärkten wir uns für den ersten Fahrradtag in der Republik Irland. Nach heftigem Regenfall schien uns die Sonne wieder ins Gesicht und wir konnten die kurze Fähre über den Fluss Suir im Trockenen nehmen. Etwas weiter wurden wir in Dunmore East auf einem Campingplatz mit wunderschöner Meersicht von Adrians Eltern empfangen.
Begleitet von André fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein dem Meer entlang und genossen die schönen Küstenabschnitte. Die unterschiedlichen geologischen Formationen, die vor Millionen von Jahren entstanden sind, waren immer wieder vom Fahrrad aus zu beobachten. Nach einigen Kilometern trafen wir eine Schweizerin, welche auch mit dem Fahrrad mehrere Wochen durch Irland reist. Kurz vor Dungarvan bemerkte Adrian, dass etwas mit seinem Hinterreifen nicht stimmte und realisierte, dass er einen Platten hatte. Glücklicherweise befand sich ein Fahrradladen ein paar hundert Meter weiter und das Loch im Schlauch konnte kurzerhand geflickt werden. Ein relativ grosser Metallsplitter steckte im Pneu und durchbohrte den Schlauch. Der Besitzer des Fahrradladens «O Mahony cycles» schenkte uns die Reparatur und ein paar Speichen, da wir noch zwei neue Fahrradketten und ein Werkzeug für die Kassettenentfernung kauften. Die fachkundige und nette Beratung schätzten wir sehr.
Heftigen Windböen und Regenfall rüttelten unser Zelt durch und liessen uns im Schlaf den Geräuschen horchen. Cork beeindruckte uns nur wenig. Trotzdem genossen wir ein irisches Bier in einem lokalen Pub. Auf dem Campingplatz erledigten wir einige Sachen von unserer to-do-Liste: Fahrradkette wechseln, Tagebuch schreiben und Finanzen organisieren.
Nach zwei eher kürzeren Tagen wartete eine Etappe mit über 100km auf uns, in Richtung Irlands Westküste. Wir fuhren durch Nadelwälder und landwirtschaftliche Regionen. Die schnurgeraden, langen Strassen stiegen steil an und führten uns gleich darauf wieder runter ins nächste Tal. Es fühlte sich an, als wären wir wieder in Schweden. In Tralee fanden wir einen Campingplatz und wir freuten uns auf die «Älpler Maggronen» mit Schweizer Käse.
Am hart verdienten und ersten Pausentag seit acht Tagen, entdeckten wir einen Teil des «Ring of Kerry». Mit dem VW California fuhren wir zum Brandon Point, dann über den Connor-Pass nach Dingle. Im alten Fischerdorf assen wir Fish & Chips und besichtigen einige uralte Pubs mit integriertem Ramschladen. Danach erkundeten wir den Slea Head, an welchem eine Szene der Star Wars Filme gedreht wurde. Die atemberaubende Küstenlandschaft liess uns immer wieder staunen.
Wieder auf den Fahrrädern pedalten wir dem nördlichen Teil des «Ring of Kerry» entlang und besuchten den Strand nahe Banna. Heute kamen wir seit langem wieder einmal in den Genuss von Rückenwind, der uns in rasantem Tempo vorwärtsbrachte. Wie schon in den letzten Tagen fuhren wir an verdutzt glotzenden Kuhherden und riesigen Anwesen vorbei.
Schon weit vor Limerick waren die Hauseingänge mit Fahnen des lokalen Hurling Clubs, Sporting Limerick geschmückt und es schien als gäbe es in dieser Region nur eine Freizeitbeschäftigung. Hurling ist ein Mannschaftssport, der einen keltischen Ursprung hat und wird mit Stöcken und einem Ball gespielt.
Seit wir das europäische Festland verlassen haben, sind kühlere Temperaturen an der Tagesordnung und kurz nach Sonnenuntergang dient die Daunenjacke als regelmässige Wärmequelle. Wir nutzten nochmals den Luxus des VW Buses von Adrians Eltern und fuhren gemeinsam nach Dublin. Am Nachmittag besuchten wir zu sechst die Guinness Brauerei und testeten das bekannteste irische Bier. Beim Nachtessen in einem typischen Pub, genossen wir die heimelige Atmosphäre. In einem weiteren Pub mit Live-Musik liessen wir den Abend ausklingen.
Zu Fuss besichtigen wir bei Sonnenschein die Trinity Universität und liefen entlang des Flusses Liffey. Nach mehr als 6 Wochen verabschiedeten wir Bettina, die uns über 2’000km begleitet hat. Wir haben die gemeinsame Reiseetappe sehr genossen. Ausserdem verliessen uns Adrians Eltern ebenfalls in Richtung Heimat. Ihre kulinarische Unterstützung in den letzten Wochen waren vorzüglich- besten Dank dafür. Ab jetzt müssen wir wieder zu dritt auskommen!
Nach einer grossen Portion Pasta, zubereitet in einer Bushaltestelle, machten wir uns auf zur Küste. Dort erwartete uns eines der Highlights in Irland. Die Cliffs of Moher sind beeindruckende Steilklippen, die direkt ins weiss-rauschende Meer abfallen. Hunderte Touristen liefen entlang der asphaltierten Wege, um möglichst gute Schnappschüsse der bekanntesten Klippen Irlands zu bekommen. Viele Touristen aus aller Welt sprachen uns an und waren erstaunt, wie weit wir bereits geradelt sind. Heute erreichten wir unsere 6000 km Marke und somit fast 20% der Gesamtstrecke bis Kapstadt.
Später fuhren wir entlang einer Kalksteinformation, welche durch den Gletscher geschliffen wurde. In Ballyvaughan kochten wir unser Nachtessen ausnahmsweise vor dem Supermarkt, da es ein regengeschütztes Plätzchen gab. Kurz darauf fanden wir einen wunderschönen Platz für unsere Zelte, direkt am Meer.
Nach Dublin und Cork, stand heute die drittgrösste Stadt Irlands auf dem Programm und wir kochten unser Mittagessen im ruhigen Stadtpark von Galway. Während einer Pause sprach uns ein freundliches Pärchen auf unsere Fahrräder an und war ganz erstaunt über das Ausmass der Reise. Nach einem unterhaltsamen Gespräch und einigen Tipps, verliessen wir die Stadt und fuhren entlang schöner Nebenstrassen. Mit der Sonne im Rücken pedalten wir entlang langer Steinwände, welche die vielen Schafe, Kühe und Pferde in ihrem Revier halten. Am Abend fragten wir bei einem Haus, ob wir unser Zelt irgendwo in der Nähe aufstellen durften. Die nette Familie erlaubte uns im Garten zu übernachten und brachte uns sogar noch warme, leckere Sandwiches zur Stärkung.
Nach eher flacherem Gelände, erwarteten uns wieder vermehrt Hügel und wir fuhren an extrem schönen und gepflegten Gärten vorbei. Bereits in England und Wales, aber vor allem in Irland grüsst uns jeder Autofahrer auf den Nebenstrassen und alle Fussgänger winken uns mit lachendem Gesicht zu.
Neben einer Burgruine kochten wir unsere Tortellini und fanden einen Fussball mit dem wir uns eine Weile beschäftigen konnten. Nach weiteren 50 km erreichten wir die Stadt Sligo, welche bekannt ist für die Nähe zum markanten Berg «Ben Bulben». Dieser sieht dem Tafelberg in Südafrika zum Verwechseln ähnlich und prägt das Landschaftsbild mit seinen 527m Höhe. Direkt am Fusse des Berges entschieden wir uns zu übernachten. Bevor wir die Zelte aufstellten, liefen wir zum Gipfels um den Sonnenuntergang und die atemberaubende Aussicht zu geniessen. Müde und mit völlig durchnässten Schuhen, erreichten wir den Startpunkt kurz vor 10 Uhr abends.
Im Norden Irlands ist uns vermehrt aufgefallen, dass an jeglichen Tankstellen Torf verkauft wird, welchen wir auf den Feldern trocknen sahen. Nach einem Gespräch mit jungen Einheimischen, wurde uns erklärt, dass die Iren Torf verbrennen und somit ihre Häuser heizen. Aufgrund mangelnder anderen Ressourcen wie Holz oder Kohle ist Torf die günstigste Alternative und fast unerschöpflich vorhanden.
Vom Nieselregen wurden wir geweckt und realisierten, dass die Bergkette um uns herum in Nebenschwaden gehüllt war. Kurz nach Aufbruch, wuschen wir unser schmutziges Geschirr in einem Bach und hüllten uns sogleich in die Regenkleider. Nach einigen Minuten schien die Sonne und wir entledigten uns wieder von allen unnötigen Schichten. Bald erreichten wir extrem einsame, karge Landschaften, die uns an Norwegen erinnerten. Der Irisch-Nordirischen Grenze folgend, fuhren wir einer Schotterstrasse entlang und sahen keine Menschenseele. Das Wetter wechselte sehr häufig und verbesserte unsere Umziehfähigkeiten rapide. Beim Mittagessen machten wir Bekanntschaft mit John, einen lokalen Fahrradfahrer, der für eine Durchquerung Amerikas trainiert und selber schon viel mit dem Fahrrad gereist ist.
Nach einer Weile bemerkte Adrian, dass er seinen Schuh, den er hinten auf dem Fahrrad aufgebunden hatte, irgendwo verloren hatte. Er fuhr zurück und wurde zum Glück etwa 5 km weiter fündig. Danach überquerten wir mehrmals die unsichtbare Grenze zwischen Irland und Nordirland und wussten zum Teil gar nicht mehr in welchem Land wir uns aktuell befanden.
In Irland sahen wir einige landschaftliche Höhepunkte und waren beeindruckt von der Schönheit des Landes. Aufgrund der beschränkten Zeit liessen wir die Ostküste abgesehen von Dublin komplett aus und bereisten mehrheitlich die Westküste.
Geographisch sowie geschichtlich ist Irland und Nordirland äusserst interessant und löst ein gewisses Unverständnis betreffend der Grenzziehung beiden Regionen aus. Bei genauerer Betrachtung der Hintergründe erkennt man die Komplexität der Situation und kann die immer noch vorherrschenden Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen eher nachvollziehen. Die Teilung Irlands in Nordirland und die Republik Irland fand 1921 nach dem irischen Unabhängigkeitskrieg statt. Nachfolgend war der katholische Bevölkerungsanteil bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche in Nordirland benachteiligt. Die Gesellschaft teilte sich in politisch irischstämmige katholische Republikaner und protestantische Royalisten.
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