Frankreich

7. Oktober – 24. Oktober 2018:  

Noch ein wenig schläfrig, aber mit voller Vorfreude auf das bereits zehnte Land, verliessen wir frühmorgens den Hafen von St. Malo. Die Stadt war noch nicht erwacht und vielleicht gerade deswegen begeisterte uns der alte Stadtkern inklusive Stadtmauern nicht ausserordentlich.

Darum starteten wir schon bald der Küste entlang in Richtung Mont-Saint-Michel. Da der Tidenhub in dieser Gegend mit bis zu 12 Meter einer der höchsten der Welt ist, konnten wir das Meer nach einigen Stunden kaum mehr sehen. Der angesteuerte Campingplatz, im Dorf vor der Insel, hatte leider seit einigen Tagen Saisonende und darum mussten wir eine Alternative in der Umgebung finden. Wir fragten die Besitzerin eines kleinen, geschlossenen Hotels, ob wir irgendwo unser Zelt aufstellen durften. Nach kurzer Überlegungsphase zeigte Sie uns den Garten mit perfekter Sicht auf das Kloster, wo wir gerne für eine Nacht bleiben durften. In dieser Situation wurde unser eher auf ein Minimum reduziertes Schulfranzösisch auf die Probe gestellt. Wie bekannt ist, sind die Franzosen nicht so flexibel und verstehen zum Teil nur perfekt ausgesprochene Sätze und sprechen auch nach der zweiten Wiederholung in demselben Tempo. Später besichtigten wir das Kloster auf Mont-Saint-Michel und schlenderten durch die engen Gassen der eindrucksvollen Insel.

Auf sehr flachen und qualitativ guten Strassen, im Gegensatz zum Vereinigten Königreich und Irland, erreichten wir Rennes relativ schnell. Die kleine Stadt überraschte uns mit ihren vielen alten Gebäuden mit schönen Riegelbaukonstruktionen im Zentrum.

Bei deutlich über 20 Grad fuhren wir die letzten knapp 100 Kilometer bis Nantes seit langem wieder einmal unter Verwendung von Sonnenschutz. Schon ausserhalb der sechstgrössten Stadt Frankreichs konnten wir auf gut ausgebaute Fahrradwege ausweichen und somit dem Feierabendverkehr entkommen. Am Abend wurden wir herzlich von Marine und Asael in ihrem Zuhause empfangen. Die beiden Ärzte lernten wir über die Plattform Warmshowers kennen und wir schlossen das junge Paar bereits beim gemeinsamen Abendessen in unsere Herzen.

Nach der Besichtigung des Schloss Nantes und weiteren Attraktionen der Stadt, gesellten wir uns in ein kleines Restaurant und kommunizierten mit amüsanter Gestik und neuen französischen Wortkreationen mit dem Wirten. Eine der Hauptattraktionen stellen «les machines de l’île» dar, welche einen 12 Meter hohen und 40 Tonnen schweren Elefanten beinhaltet. Dieser eindrucksvolle Elefant kann bis zu 50 Personen durch die Gegend transportieren und Wasser durch den Rüssel speien. Beim alten Hafengelände auf der Insel in der Mitte von Nantes trafen wir uns mit unseren Gastgebern inklusive Fabians Schwerstern und bestaunten den farbigen Sonnenuntergang.

Entlang der Loire fuhren wir wieder einmal auf der Eurovelo Route 1 zur Küste. Zwischendurch konnten wir den mächtigen Fluss mit der Gratisfähre überqueren und auf der anderen Seite einem Kanal folgen. Die Gegend wurde flach wie in den Niederlanden und die Strasse führte uns durch ein mit Kanälen durchzogenes Agrargebiet und ab zu durch wunderschöne Pinienwälder.

Die schönen Fahrradwege entlang der menschenleeren Sandstrände verleiteten uns überall anzuhalten und die frische Meeresbrise einzufangen. Immer wieder radelten wir durch verlassene und abgeriegelte Touristenorte und waren froh nicht in der Hauptsaison in dieser Gegend unterwegs zu sein. In La Rochelle wurden wir nach 150 km auf dem Zweirad von unserer Couchsurfing Gastgeberin Rachel herzlich empfangen und in die kulinarische Welt der Region eingeführt. Innerhalb einer Stunde hatten wir die Gelegenheit Langusten, Garnelen, Fischsuppe, Austern, Wellhornschnecken und Salicornes zu probieren.

Ein Besuch des grossen und belebten Samstagsmarktes, direkt neben unserer Unterkunft, wo auch unsere Gastgeberin ab und zu arbeitet, durfte natürlich nicht fehlen. La Rochelle gilt als einer der grössten Segelhäfen Europas und darum sind viele Abenteurer anzutreffen und am Abend geht die Post ab. Bei schönstem Wetter verwöhnten wir uns kulinarisch und genossen die letzten Stunden mit Nadine und Katja. Der Zufall ergab es, dass Fabians Onkel und Tante (Rio und Romy) auch in derselben Gegend mit ihrem Wohnwagen unterwegs waren und gesellten sich am heutigen Tag zu uns. Grosszügigerweise luden Sie uns auf ein leckeres Nachtessen in der belebten Altstadt ein.

Ausgeschlafen genossen wir zusammen mit Rachel die Aussicht von ihrer Terrasse und frühstückten gemütlich. Ziemlich schnell nach der Abfahrt fing es an zu regnen und auch das Gehupe der französischen Autofahrer auf der Hauptstrasse machte es nicht angenehmer. Entweder war jeder zehnte Autofahrer dermassen begeistert uns zu sehen oder wir haben die Fahrradverbotstafel nicht gesehen. Vorbei an Austern- und Muschelzuchten pedalten wir durch den starken Regen, um kurz darauf den Hafen von Royan zu erreichen. Zwei Kebabs und eine Stunde Wartezeit später, befanden wir uns auf einer sehr schaukligen Fähre nach La-Pointe-de-Grave.

Nach einer regnerischen Nacht packten wir das klitschnasse Zelt in seine Hülle, bevor wir die Baumnuss grossen Nacktschnecken von den Taschen spickten. Den ganzen Tag erwarteten uns Fahrradwege durch Pinienwälder. Meistens führte uns der Weg nicht weit vom Sandstrand entlang südlich in Richtung Arcachon. Der letzte Teil der Strecke führte uns über einen hügeligen, geteerten Fahrradweg durch den schönen Wald und schlussendlich fanden wir einen schönen Platz in der Nähe des Strandes.

Der Weg zurück auf die Strasse war sehr kräftezehrend, da es nur einen sandigen Pfad gab. In Le Cap-Ferret konnten wir zum Glück unsere mit Sand gepflasterten Fahrräder mit Wasser reinigen und schnappten uns in letzter Sekunde die Fähre nach Arcachon. Die Aussicht von der Pilat Düne ist hervorragend und man kann es sich kaum vorstellen, dass Mutter Natur so etwas erschaffen kann. Da wir ein Video von uns haben wollten, wie wir die Sanddüne hinunterrennen, fragten wir ein junges Paar ob sie uns filmen könnten. Somit lernten wir auf den grössten Sanddünen Europas Lukas und Christine, ein Deutsches Paar kennen. Die beiden luden uns zu sich in den selber ausgebauten VW Bus ein, um für uns zu kochen. Schnell fanden wir heraus, dass wir alle Marokko als Zwischenziel hatten und wir verabredeten uns provisorisch irgendwo in Marokko für Weihnachten zu treffen. Wir fanden einen geeigneten Platz zum campen im Wald und verbrachten einen schönen Abend mit den beiden am Lagerfeuer.

Den ersten Teil des Tages fuhren wir durch Kiefernwälder, die uns seit La Rochelle begleiten. Seit Arcachon befanden wir uns im Regionalen Naturpark Landes de Gascogne, welcher sich durch unberührte Natur und viele kleine Nebenstrassen auszeichnet.

Während Adrian im Lidl am Einkaufen war, wurde Fabian von Soana angesprochen. Die Einheimische mit sehr guten Deutschkenntnissen lud uns direkt zu sich nach Hause ein und erzählte, sie sei ebenfalls Mitglied bei Warmshowers. Nach dem Erreichen des wunderschönen umgebauten Bauernhauses, konnten wir gleich unsere verschwitzen Körper duschen. Kurz darauf kam ihr Mann Stéphane mit den zwei Töchtern nach Hause und wir wurden kulinarisch verwöhnt bei einem geselligen Abend.

Wie schon die zwei letzten Morgen wurden wir von Schüssen geweckt. Anscheinend ist es typisch für französische Rentner, mit einer Schrotflinte im Wald nach Wildschweinen oder Tauben zu jagen. Dies kann gut und gerne 5 Wochen dauern und der Alkoholkonsum sollte nicht unterschätzt werden, so dass gewisse Hobbyjäger auch mal von einem Baum fallen. Kurz vor der Abfahrt bemerkte Fabian, dass sein Rentiergeweih, das er schon seit dem zweiten Tag mittransportiert, angeknabbert und somit zerstört wurde. Der Hund der Familie erkannte im mitgetragenen Souvenir nur einen Knochen bzw. einen Mitternachtssnack.

Auf Empfehlung von unseren Gastgebern änderten wir unsere Route und folgten ab heute dem Canal Latéral à la Garonne, der uns bis Toulouse führte. Entlang schöner Alleen mit herbstlichem Kleid pedalen wir an vielen Hausbooten und Radreisenden vorbei. Bei Agen führte uns der Fahrradweg über eine Kanalbrücke, mit welcher wir eine Strasse und den Fluss Garonne überquerten, was uns sehr beeindruckte.

Bei Nebel folgten wir weiterhin dem Fahrradweg entlang des Kanals, passierten viele Schleusen und gewonnen dadurch stetig an Höhe. In Gedanken reflektierten wir die fünf Monate, welche bereits vergangen sind seit der Abfahrt im hohen Norden. In dieser Zeit sind wir bereits über 9’000 km gefahren. Als wir Toulouse erreichten, sahen wir einige Leute in schäbigen, selbstgebauten Häuser und gewisse schienen sogar im Zelt zu leben. Unsere Warmshowers Gastgeber Asael und Marine aus Nantes verknüpften uns mit Freunden in Toulouse, wo wir die nächsten Tage unterkommen dürfen. Wir wurden herzlich empfangen und genossen die Unkompliziertheit der jungen Franzosen.

Vor ein paar Tagen haben wir an Fabians Fahrrad einen Schaden am Laufrad entdeckt. An zwei Stellen war die Speichenverankerung kaputt und wir waren froh überhaupt in Toulouse angekommen zu sein ohne Panne. Als erstes suchten wir diverse Fahrradgeschäfte auf, aber keines hatte ein passendes Laufrad. Plötzlich realisierten wir, dass bei Adrians Fahrrad dieselbe Stelle defekt war und das Rad ebenfalls ersetzt werden musste. Dank des Tipps eines Verkäufers suchten wir ein spezifisches Fahrradgeschäft von Trek auf und fragten, ob das ein Garantiefall sei. Schliesslich sind die Räder erst vier Monate alt! Wir erfuhren, dass dieser Fahrradhändler der einzige in ganz Frankreich ist, der vor Ort über einen Garantiefall entscheiden kann. Wir hatten Glück und unsere beiden Laufräder wurden gratis ersetzt. Ausserdem konnte Adrian seine Luftmatratze ersetzten, ebenfalls ein Garantiefall, da die Luftkammern sich stetig verbunden hatten.

Am Abend kochten wir für unsere sechs Gastgeber das Schweizer Gericht «Älplermagronen» und trotz kritischer Begutachtung zu Beginn, waren alle begeistert nach der Degustation. Den Abend liessen wir in ein paar lokalen Bars in der Innenstadt ausklingen. In der restlichen Zeit erkundeten wir die Stadt und genossen die entspannte Atmosphäre an der Garonne. Am letzten Abend assen wir Raclette, welches zwar ein Schweizer Gericht ist, aber in Frankreich durchaus auch bekannt ist.

Mit getrübter Stimmung verliessen wir Toulouse. Auf der einen Seite traurig, die neu gewonnenen Freunde wieder zu verlassen und auf der anderen Seite mit Vorfreude auf die Pyrenäen und somit auf die hohen Berge.

Am Anfang fuhren wir am Canal du Midi mit seinen vielen Hausbooten entlang, bis wir nach Süden abbogen und die ersten Hügel überqueren mussten. Bald sahen wir im Dunst weit in der Ferne die Umrisse der höchsten Gipfel der Pyrenäen, welche beeindruckend und fast abschreckend wirkten. Vor allem weil wir den vielen Käse vom letzten Abend noch nicht ganz verdaut hatten und dadurch noch nicht so scharf auf alle diese Höhenmeter waren. In Foix überragte die gleichnamige Burg oder genauer gesagt eine Ruine einer mittelalterlichen Felsenburganlage die kleine Stadt. Bis zum Ende des Tages erreichten wir eine stattliche Höhe von 830 m.ü.M und freuten uns auf die morgige Passüberfahrt nach Andorra.

Nach einer der kältesten Nächte auf dieser Reise, zwangen wir uns bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zum Aufstehen. Am Anfang führte uns die Passstrasse relativ flach hoch und wurde zunehmend steiler. Noch vor dem Erreichen der Passhöhe erreichten wir die Grenze nach Andorra. Zu unserer grossen Überraschung gab es eine riesige Kolonne an der Grenze. Frankreich war definitiv ein Land das ideal für Fahrradreisen geeignet ist. Gute Fahrradwege an vielen Orten und die Strassenqualität lässt keine Wünsche offen. Ausserdem genossen wir die bekannte französische Küche und die Gastfreundschaft der Leute, die wir in dieser kurzen Zeit kennengelernt hatten.

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