Republik Kongo

4. – 25. Januar 2020:

Zwischen uns und der Grenze lagen nur noch 300 Meter und schon bald hatten wir die Ausreisestempel in unseren Pässen. Die beiden Beamten überlegten sich offensichtlich noch kurz, ob sie uns Probleme machen wollten, liessen es dann aber doch sein. 

Die weiterführende Asphaltstrasse führte uns durch eine hüglige Savannenlandschaft mit unendlich wirkenden Wiesen. Nach etwa einer Stunde erreichten wir die Immigrationsbehörde. Zuerst musste der Verantwortliche per Motorrad organisiert werden und als er endlich vor Ort war, hatte er nicht einmal einen Stift. Danach knallte er uns einen Ausreise- anstatt einen Einreisestempel in die Pässe und korrigierte das Missgeschick mit dem von uns ausgeliehenen Stift. 

Die Leute in den Dörfern winkten uns im Gegensatz zu Gabun wieder energisch zu und die Kinder drehten fast durch, sobald sie uns kommen sahen. Diese Reaktionen erwärmten unsere Herzen und wir hatten das Gefühl wieder in Afrika zu sein. 

Aufgrund Fabians Malararia Symptomen, fragten wir bei einer Zollbehörde, ob wir dort unser Zelt aufstellen durften. Auch Adrian fühlte sich nicht fit und darum wollten wir die restlichen 20 Kilometer zum ersten Spital nicht mehr fahren. 

Da es in diesem Dorf nur am Abend Strom gab, keine Essensmöglichkeit und wir direkt neben einer Bar mit gefühlten 100 Verstärkern schliefen, entschieden wir uns in die nächste Stadt zu fahren. Seit der Grenze sahen wir kaum Fahrzeuge auf der Strasse und am Vortag begegnete uns erst nach 50 Kilometern das erste Auto. In der Stadt angekommen, zeigte Adrians Malariatest ebenfalls eine Infektion und wir liessen uns bei der Polizei nieder. 

Zu unserem Erstaunen gab es auch in dieser Kleinstadt nur dank Generatoren und Solarpanels Strom und es gab ein einziges Restaurant. Dort gab es entweder Fleisch oder Fisch mit den regional bekannten Maniokstengeln. 

Auf dem winzigen, jedoch allzeit lebendigen Markt konnten wir uns mit dem Nötigsten eindecken. Es gab sogar eine kleine Bäckerei, die leckeres Brot verkaufte. Eine Frau, mit der wir auf dem Markt ins Gespräch kamen, kochte für uns zwei leckere Gerichte und wollte nicht einmal Geld dafür. Auf dem Markt sahen wir ausserdem eine Auswahl an verschiedenen Insekten. Es wurde uns eine Raupe zum Probieren angeboten und wir konnten der Versuchung nicht widerstehen. Das schwarze, etwa 4 cm grosse Tier schmeckte uns gar nicht so schlecht und die Verkäuferin freute sich darüber. 

Einige Kinder kamen uns immer wieder besuchen und brachten uns ab und zu Früchte. Der etwas Ältere unter ihnen fragte ausserdem, ob wir Filme von den Fussballstars Messi oder Christiano Ronaldo hätten. Wir hatten leider nichts Solches und kopierten stattdessen Europäische Musik und französische Filme auf ihre zahlreichen USB-Sticks. Unsere Sammlung an Filmen und Musik sprach sich herum und immer mehr Kinder und Erwachsene wollten einen Teil davon. 

Die Polizisten waren offensichtlich besorgt um uns und fragten immer nach wo denn der andere sei, auch wenn beispielsweise Fabian nur kurz auf dem Klo war. Eines Morgens, als wir bis um 09.30 Uhr schliefen, kamen sie zu uns und fragten, ob wir denn schon weitergefahren seien. Dies, obwohl sie unsere Pässe hatten. 

Einigermassen fit verliessen wir die Gendarmeriestation wieder und machten uns auf den langen Weg nach Brazzaville, der Hauptstadt des Landes. Wir passierten viele kleine Dörfer, in welchen uns alle Bewohner zuwinkten und etwas zuschrien. Die Kinder rannten uns sogar nach, solange sie konnten. 

Aufgrund der derzeitigen, wenn auch nur kurzen Trockenzeit brennen die Bauern überall das Gras ab, um später wieder diese Flächen landwirtschaftlich nutzen zu können. Generell war der Himmel sehr dunstig, was vor allem auf den momentan vorherrschenden Harmattan zurückzuführen ist. Der Harmattan ist ein aus der Sahara kommender Wind, der viel Staub und Sand mit sich führt. 

Eines nachts hörten wir ein Gewitter auf uns zukommen und die ohrenbetäubenden Donner und die krachenden Blitze kamen immer näher. Wir wunderten uns bereits, dass kein Wind vorherrschte, als plötzlich ein wuchtiger Windstoss die eine Zeltstange zerbrach und wir das Zelt hochhalten mussten. Der Wind wurde während der nächsten halben Stunde noch stärker und wir harrten aus, bis er etwas nachliess. Von draussen sahen wir, dass die abgebrochene Zeltstange gleichzeitig ein Loch in die Zeltwand bohrte und wir diese unbedingt ersetzten, mussten. Also nahmen wir die Stange raus und setzten einen neuen Stangenteil ein. Währenddessen fing es stark an zu regnen und wir waren klitschnass. Nach etwa 20 Minuten hatten wir alles wieder in Stand gesetzt und kletterten wieder in das inzwischen leicht geflutete Zelt. Definitiv ein Campingerlebnis der unschönen Sorte! 

Das Zelt mussten wir ziemlich nass einpacken und auch unsere Klamotten trockneten überhaupt nicht seit der nächtlichen Reparaturaktion. 

Plötzlich änderten sich die Dörfer komplett. Die Blechhütten wurden durch moderne Häuser mit Stromanschluss ersetzt. Zusätzlich hatte jedes Dorf mehrere solarbetriebene Pumpbrunnen mit angeschlossenen Wassertanks. In Oyo wurde alles noch viel extremer und wir sahen Dutzende pompöse Verwaltungsgebäude, Stadions, Banken und Versicherungen. Ausserdem betreibt der Präsident in der Umgebung seiner Heimatstadt eine Rinderfarm an der nächsten. Seit Europa hatten wir nicht mehr so moderne Bauernhöfe gesehen. Zu unserem Glück fanden wir in Oyo wieder mal eine Mahlzeit ohne Maniok und diese Abwechslung tat uns gut. Es scheint wirklich so, als würden die Leute in diesem Land 2–3-mal pro Tag Maniok essen. In Zentralafrika hat der Maniok den Reis als Grundnahrungsmittel definitiv abgelöst. Nach dem Verlassen der grössten Stadt seit langem, änderte sich die Vegetation und wir fuhren wieder vermehrt durch Wälder. Das Klima änderte sich dementsprechend und die Luft war viel feuchter als die letzten Tage. 

Danach wurde das Terrain wieder hügliger und wir befanden uns allmählich wieder in einer Savannenlandschaft. Ab und zu regnete es ein wenig, aber glücklicherweise wurden wir nie richtig nass. Viele Familien auf dem Land leben hier von der Landwirtschaft und wohnen in einfachen Hütten aus Erde und Holz. 

Zum Frühstück gab es für uns Brot mit hausgemachtem Erdnussaufstrich und Ananas. In letzter Zeit geniessen wir den Luxus der günstigen Früchte vermehrt, da es nicht so viele andere Optionen gibt. Ausserdem wird die Auswahl günstiger, lokaler Früchte in den nächsten Wochen definitiv abnehmen, je weiter südlicher wir kommen. 

Uns erstaunte, wie wenig Verkehr herrschte auf der einzigen Strasse vom Norden des Landes in die Hauptstadt. Nur etwa alle zehn Minuten kam uns ein Motorrad, ein Lastwagen oder ein vollbeladener Bus entgegen bzw. überholte uns mit horrendem Tempo. Die geringe Bevölkerungsdichte im Norden des Landes und die nicht einmal fünf Millionen Einwohner auf eine Fläche so gross wie Deutschland erklärt den minimalen Verkehr mehrheitlich. Ausserdem können sich die meisten Familien, die nur von der Landwirtschaft leben, niemals ein Fahrzeug leisten. 

In den letzten Tagen besuchten uns morgens jeweils hunderte verschiedenfarbige Schmetterlinge. Diese setzten sich vor allem auf unser Gepäck und die Sättel. Sogar auf der Strasse sonnen sich die furchtlosen Tiere und fliegen stets weg, kurz bevor sie in unseren Speichen enden würden. 

Nachdem wir in ein Tal mit einem Fluss gefahren waren und wieder das Plateau erreichten, ging es wie zuvor schnurgerade und flach weiter Richtung Süden. 

Obwohl die Strasse Richtung Brazzaville erstaunlicherweise von der Grenze weg asphaltiert ist, begegneten uns wiederholt Abschnitte, welche schwierig zu befahren waren. Schlammige Passagen mit riesigen und auch tiefen Schlaglöchern. In der Regenzeit ist diese Strasse sicher fast unpassierbar. 

Bei einem Toilettengang frühmorgens sahen wir die aufgehende Sonne, leuchtend am Horizont. Später beim Zusammenräumen kamen zuerst zwei und dann ganz viele Kinder bei uns vorbei und beobachteten uns. Die Kinder waren auf dem Weg zu ihren Feldern, um dort zu arbeiten. 

Bald fuhren wir vom Plateau runter und sahen den gigantischen Strom Kongo, welcher die natürliche Grenze zwischen den gleichnamigen Ländern bildet. In der Ferne konnten wir auch die beiden Hauptstädte ausmachen. Nach der langen Abfahrt fuhren wir über ein Viadukt in die Innenstadt von Brazzaville. Wir konnten den Schlüssel zu Stefanies Wohnung bei ihrer Arbeit abholen, um danach bereits zu ihrem Zuhause fahren zu können. Dort konnten wir seit über einem Monat wieder mal warm duschen, obwohl nach einem so heissen Tag auch eine kalte Dusche genügt hätte. Stefanie kontaktierten wir über die Plattform Warmshowers. Sie lud uns ein bei ihr ein paar Tage zu verbringen und uns auszuruhen.  

Die Nachbarschaft war sehr authentisch und die Leute, die wir während unserem Aufenthalt kennenlernten, waren alle extrem freundlich und wir fühlten uns schnell wie zuhause. Nach ein paar Tagen wussten wir, wo wir die wichtigsten Lebensmittel bekamen, und fanden uns gut zurecht. 

Am Wochenende konnten wir dank dem Freundeskreis von Stefanie an einer Pool Party teilnehmen. Für einen angemessenen «Eintrittspreis» konnten wir so viel Essen und Trinken wie wir wollten. Somit genossen wir die vielfältige Auswahl an Snacks und Alkoholika. Viele der Gäste waren Kongolesen und der andere Teil waren entweder Franzosen oder Belgier. Die meisten der Leute, die wir kennenlernten, waren begeistert von unserer Reise und wir hatten nette Gespräche. Es ist immer wieder angenehm und eine gute Abwechslung sich mit anderen, gleichgesinnten Leuten zu unterhalten. 

Erwan, ein Franzose der wir an der Party kennengelernt hatten, lud uns zu sich nach Hause ein, um sein Internet zu benutzen. Die Tage zuvor suchten wir überall nach einem anständigen Internetcafé, aber nirgends erlaubte uns der Besitzer aus Sicherheitsgründen unseren eigenen Computer zu benutzen. 

Die Temperaturen lagen nahe der 40 Grad Marke und wir schwitzten ständig. Sogar in der Nacht kühlte es nur wenig ab und zum ersten Mal seit langem wünschten wir uns eine Klimaanlage. 

Einige Male fuhren mit unseren Fahrrädern ins Stadtzentrum und waren erstaunt, wie harmlos der Verkehr in der Millionenstadt war. Im Vergleich zu anderen Hauptstädten kam uns Brazzaville vor wie ein Dorf. Die Stadt liegt direkt am Ufer des Kongo Stroms, welcher die Hauptstädte Brazzaville und Kinshasa voneinander trennt. Somit sind es die zwei Hauptstädte mit der geringsten Distanz zueinander weltweit. Der riesige Fluss strahlte eine ungewohnte Ruhe aus, da es keine Boote, Fischer oder badende Kinder in Stadtnähe zu sehen gab. Der Kongo ist der zweitlängste Strom Afrikas und gleichzeitig der wasserreichste des Kontinents.  

Mehrfach hörten wir von Projekten, die angehalten wurden aufgrund der Wirtschaftskrise, die auf den Ölpreis zurückzuführen ist. Beispielsweise haben wir in hunderten Dörfern moderne, solarbetriebene Pumpbrunnen mit zusätzlichen Wassertanks gesehen. Leider erzählten uns viele Dorfbewohner, dass diese bereits nach einigen Monaten nicht mehr funktionierten. Niemand vor Ort hat das Geld oder das nötige Fachwissen, um die Anlagen zu reparieren. Ausserdem hat das Projekt kein Geld mehr, um wie geplant Mechaniker in die Dörfer zu schicken für die Wartung. Ein weiteres Beispiel wie riesige Mengen Entwicklungsgelder verschwendet werden in Afrika. 

Nach einem angenehmen Aufenthalt in Brazzaville mit vielen netten Bekanntschaften, verliessen wir die Millionenstadt entlang des Flusses wieder. Schon bald wurden wir gefordert und mussten viele aufeinanderfolgende Hügel erklimmen. 

In der Region Pool sahen wir in vielen Dörfern ganze Familien, welche in Flüchtlingszelten der Vereinten Nationen lebten. Die Leute erklärten uns, dass das Militär vor zwei Jahren auf Befehl des Präsidenten die Dörfer mit Helikoptern angriffen und viele Menschen starben dabei. Der Grund war die Vermutung der Regierung, dass die lokale Bevölkerung in dieser Region Rebellen versteckt hält.  

An einer Kreuzung bogen wir Richtung Süden ab, anstatt der Strasse zum Meer zu folgen. In einem grösseren Dorf machten uns die Immigrationsoffiziere das Leben schwer. Der äusserst autoritäre Chef liess uns nicht zu Wort kommen und beschuldigte uns seine Professionalität in Frage zu stellen. Eigentlich wollten wir nur nachfragen, ob es wirklich zwei Ausreisestempel braucht, denn dies wäre das erste Mal auf unserer Reise. Schlussendlich beruhigten sich alle und es gab doch keinen Stempel. 

In der letzten Stadt vor der Grenze fanden wir nach einigem Herumfragen etwas zu essen und danach verliessen wir die komfortable Asphaltstrasse definitiv. Über Stock und Stein führte uns die teilweise sandige Piste über mehrere Hügel. Zwei Steigungen waren derart steil, dass wir unsere Drahtesel hochschieben mussten. 

Die Landschaft präsentierte sich erstaunlich trocken und nur in der Nähe von Bächen und Flüssen sahen wir vermehrt Bäume. Im letzten Dorf vor der Grenze, konnten wir beim Dorfchef übernachten und er erledigte bereits alle Formalitäten mit den Immigrationsbehörden. 

Die Frau des Dorfchefs bereitete auf Nachfrage von uns Milchreis zum Frühstück zu. Für das leckere Nachtessen und das Frühstück akzeptierte die tüchtige Frau nicht einmal Geld. An der Grenze winkten wir den Grenzbeamten nur noch zu, da alle Formalitäten bereits am Vortag erledigt waren. An der geographischen Grenze, ein paar Kilometer weiter, fanden wir eine uralte Willkommenstafel, aus Zeiten der belgischen Kolonialherrschaft. 

Mit der Republik Kongo steigt die Zahl der durchradelten Länder in Afrika auf stolze 17 Stück. Dieses Land geht neben dem «grossen» Kongo ein bisschen unter, trotz seiner Grösse wie Deutschland. Bei unserer Durchquerung genossen wir das angenehme Vorankommen auf den guten Strassen, der wenige Verkehr sowie die Gastfreundschaft und Gespräche mit den sympathischen Einheimischen.  

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