Zentralnigeria – Grenze Kamerun

(Last Updated On: Dezember 1, 2019)

31. Oktober – 17. November 2019:

Enugu ist ein bedeutendes Kohlebergbau- und Handelszentrum und ist mit über 700’000 Einwohner eine weitere Grossstadt auf unserem Weg nach Kamerun. Unsere Gastgeber leben in einem eher reicheren Viertel und somit war es ruhig und nicht viele Leute waren auf den Strassen unterwegs.

Die Familie von Sly und auch der Hauswart des Hauses, wo wir übernachten durften, kümmerten sich liebenswert um uns. Wir erkundeten die Gegend und probierten neue Leckereien der Nigerianischen Küche. Die Auswahl der Gerichte war bisher eher klein und darum tut eine Abwechslung immer gut.

Das durch den Vorfall im Busch kaputte Moskitonetz des Zeltes konnten wir dank eines mobilen Schneiders innerhalb kürzester Zeit reparieren. Geschickt nähte er den farbenfrohen Stoff über den Riss und verpasste so unserem Zelt einen afrikanischer Stil.

Bei einer weiteren Ausfahrt der Jungs mit unseren Fahrrädern, wurden diese von einem einheimischen Rennradfahrer angesprochen, der gleich realisierte, dass diese Fahrräder nicht einem Nigerianer gehörten. Er war sehr interessiert uns kennenzulernen und wir verabredeten uns, zusammen ein Stück zu radeln.

Zusammen mit Shibike vom Fahrradclub Enugu, fuhren wir aus der Grossstadt. Der ortskundige Sportler, ausgestattet mit seinem Rennrad und athletischer Figur, fuhr mit sportlichem Tempo voraus. Nach etwa 40 km verabschiedete er sich wieder und wir schossen einige Fotos zusammen als Erinnerung.

Nach einer Woche auf dem Express-Highway, viel ohrenbetäubendem Verkehr und Abgasen soweit die Nase riecht, entschieden wir uns kleinere Strassen und Dörfer zu erkunden. Es dauerte nicht lange, bis unsere Manövrierkenntnisse auf den Nigerianischen Schlammpisten gefordert wurden.

In einem grösseren Ort, fragten wir nach dem Dorfchef und störten eine Beerdigung mit den wichtigsten Leuten der ganzen Region. Natürlich wussten wir nicht wie wir uns verhalten sollten und mussten den Leibwächtern des hier herrschenden Königs erklären, dass wir in guter Absicht auf Besuch sind. Als wir dem König die Hand schütteln wollten, sagten alle anwesenden Leute im Tenor: «Das dürft ihr nicht»!

Nach ein paar weiteren Missverständnissen und einem Glas frischem Palmwein, wurde uns zugesichert, dass wir auf dem Grundstück der Königsfamilie übernachten durften. Als uns die Veranda gezeigt wurde, sahen wir erstaunt ein Portrait vom vorangehenden König mit dem Schweizer Botschafter. Somit wurde uns die Bedeutung des Königs klar und wir schämten uns ein wenig für unser wahrscheinlich unhöfliches Verhalten.

In Nigeria regieren im ganzen Land Könige parallel zu den politischen Strukturen, welche durch die europäische Kolonisation eingeführt wurde. Diese Könige nehmen nicht an der Politik teil, haben aber unter Umständen einen grösseren Einfluss als die Politiker selber. Die Könige oder je nach Stufe auch Sultan genannt, besitzen ihr Königreich und regieren im traditionellen Stil. Sie besitzen einen Palast und beantworten dort fragen ihrer Leute. Gesetze und Wahlen werden jedoch nur im demokratischen, modernen System erlassen bzw. gehalten. Gewisse Könige nennen sich Emire, da sie eine muslimische Vergangenheit aus dem arabischen Raum haben.

Kaum aufgewacht, wurde uns Frühstück direkt ans «Bett» serviert und immer mehr Leute tauchten auf, um uns zu beobachten. Alle schienen wieder nüchtern zu sein, da gewisse Leute, inklusive einem Prinzen, bereits bei unserer Ankunft bedrohlich geschwankt hatten.

Vor der Weiterreise schauten wir den eher bescheidenen Palast inklusive Throns des Königs an, wo er normalerweise herrscht. Leute aus der Region können hier Tipps abholen und Wünsche äussern. Schliesslich herrscht er über ein Territorium grösser als die Zentralschweiz.

Die absichtlich ruhigen Strassen, welche wir ausgewählt hatten, führten uns durch Gegenden mit nur wenigen Dörfern und Verkehr. Überall kamen uns Kinder und Frauen entgegen, welche die Ernte zurück ins Dorf trugen. In Nigeria ist uns aufgefallen, dass die Kinder viel weniger Angst vor uns haben als in allen anderen westafrikanischen Ländern. Fast täglich sind Kinder schreiend in den Busch gerannt, kaum haben sie uns gesehen. Hier schauen alle verdutzt aus der Wäsche, aber die Reaktion ist viel weniger extrem.

Bei einer Dorfdurchfahrt stoppte uns ein Bewohner und gab sich als Sicherheitsverantwortlicher aus und wollte unsere Dokumente sehen, da wir ihm verdächtig vorkamen. Wir sagten ihm er solle sich zuerst ausweisen, bevor wir ihm einfach unsere Dokumente aushändigen würden. Nach einigen Minuten kam der Dorfkommandant und liess uns gehen, da er realisierte, dass wir nichts Böses im Sinn hatten.

Ein paar Kilometer weiter, entschieden wir uns nach einer Bleibe zu fragen. Der Stellvertretene Dorfchef musste sein Kartenspiel unterbrechen und diskutierte ein paar Minuten mit seinen Beratern unter Beobachtung von mindestens fünfzig Leuten. Nach kurzer Beratungszeit durften wir bei John und seiner Familie in einem mit Matratze ausgestatteten Zimmer übernachten.

Unglaublich, aber wahr: Wir wurden morgens um fünf Uhr von einem Generator und einem kurz darauf stattfindenden Gottesdienst geweckt. Die Lautstärke des Motors und des Geschreis des Pfarrers liessen uns halbwach abwarten, bis der ganze Spuck direkt hinter unserem Fenster fertig war.

Zum Frühstück gab es einen leckeren Hirsebrei mit Sojapulver, Erdnusspaste und Zucker. Die Nigerianische Gastfreundschaft ist definitiv nicht zu unterschätzen und wir sind jeweils froh, nach einem anstrengenden Tag nicht nach Garküchen suchen zu müssen.

In einem kleinen Ort wurden wir informiert, dass in ein paar Kilometern ein reissender Fluss auf uns warten würde und wir einen anderen Weg nehmen sollten. Man versprach uns dort ein besseres Kanu zur Überquerung zu finden. Der kleine Pfad führte uns durch eine üppige Gegend mit hohem Gras und kleinen Bächen, welche den Weg kreuzten.

Am Wasser angekommen, realisierten wir, wie hoch das Wasser wirklich war. Den Fluss konnten wir noch gar nicht sehen, da der Fluss über die Ufer trat. Kurze Zeit später kam tatsächlich ein etwa drei Meter langer Einbaum treibend aus dem Wald. Die Frauen mit Feuerholz auf dem Kopf und Kleinkinder auf dem Rücken, stiegen aus und wir hievten unsere Fahrräder in das wacklige Kanu.

Im selben Boot fanden eine Familie und zwei Motorräder Platz. Der Preis wurde hart verhandelt und wir wurden trotzdem gnadenlos abgezockt. Schlussendlich zahlten wir für alle Passagiere und waren wütend, da uns alle Männer hochkant anlogen. Leider ist auch in dieser abgelegenen Gegend Geld wichtiger als die Grundsätze des Christentums.

Ein Stück weiter mussten wir einen weiteren Fluss überqueren, der «nur» noch hüfttief war und somit ohne Hilfe gemeistert werden konnte. Die planschenden Kinder waren sichtlich begeistert ab unserem Besuch und begleiteten uns auf Schritt und Tritt während wir alles Material auf die andere Seite trugen.

Wie bereits bei unserer Ankunft in einem Dorf, versammelten sich wieder um die hundert Kinder und fünfzig Erwachsene um uns, als wir losfuhren. Sogar für uns als inzwischen Afrikaerfahrene war das viel und wir wussten gar nicht wen wir anschauen sollten. Alle Dorfbewohner, ob gross oder klein waren interessiert an unserem Besuch und starrten uns strahlend an.

Bereits nach einigen Kilometern mussten wir auf die Karte schauen, um nicht den falschen, sandigen Pfad zu erwischen. Ein paar Männer kamen direkt auf uns zu und wollten wissen was unsere Mission in Nigeria ist. Wir wurden auf ein Süssgetränk und Kekse eingeladen und durften interessante Fragen vor Dutzenden Leuten als Zuschauer beantworten. Eine Frage eines älteren Mannes war eher traurig und überraschte uns zugleich an einem so abgelegenen Ort. Denn er wollte wissen ob es stimmt, dass Afrikaner in Europa teilweise als Affen bezeichnet werden. Wir wussten nicht recht wie reagieren und erklärten ihm, gewisse Weisse hätten Angst vor Afrikanern und wissen gar nicht was sie damit anrichten oder sind schlicht Rassisten.

Eine Abkürzung rächte sich und stellte sich als sandiger Pfad heraus, der uns das Fahrrad vielfach stossen liess. Endlich erreichten wir wieder ein Dorf und sofort wurde der König informiert, es wurden Stühle geholt, dass wir uns setzten konnten und es wurden Süssgetränke organisiert . Nach etwa einer Stunde und drei Süssgetränken konnten wir den König sehen und unsere Geschichte nochmals erzählen. Natürlich folgte uns wieder das halbe Dorf und beobachtete unser Gespräch aus nächster Nähe.

Nach unserer ersten Nacht in einer Afrikanischer Rundhütte wurden wir wie schon die Tage zuvor verpflegt, bevor wir losfuhren. Der junge König hatte sogar ein Solarpanel installiert und wir konnten darum unsere elektrischen Geräte aufladen.

Wiederholt wollen junge Männer Fotos mit uns machen und liessen uns kaum in Ruhe während der jeweiligen Pause. Wir können uns das überhaupt nicht vorstellen wie speziell so eine Begegnung mit Weissen sein muss, wenn man abseits der Grossstädte wohnt.

Die Cassava-Ernte ist in vollem Gange und in jedem Dorf hat es mindestens eine Mühle, wo die Wurzeln zu feinem Pulver gemahlen werden. Daraus wird danach das Nationalgericht «Fufu» zubereitet. Ausserdem werden grüne «Orangen» geerntet, welche auf dem Mark nur etwa 3 CHF für 25kg kosten.

Wir passierten schon viele Polizeikontrollen, aber so viel kontrolliert wie an diesem Tag wurden wir noch nie. Nach der dritten Kontrolle innerhalb von fünf Minuten wurden wir wütend, als wir unsere Geschichte bereits zum x-ten Mal erzählen mussten und sie unser Gepäck durchsuchen wollten.

Wir verbrachten die Nacht bei einem kleinen Checkpoint und nur kleine aus Rundhütten bestehende Dörfer waren in der Umgebung. Die Polizisten sind jeweils einen Monat an einem Standort und werden dann wieder an einen anderen Ort verschoben. Wenn sie ihre Familie sehen wollen, müssen sie einen unbezahlten Urlaub beantragen.

Von Henry, einem sehr belesenen und intelligenten Polizisten, erfuhren wir wieso alle Fahrzeuge immer Schmiergelder an jedem Kontrollpunkt bezahlen müssen. Die Polizisten haben einen extrem kleinen Lohn und müssen jeden Monat einen hohen Betrag an ihre Vorgesetzten abgeben. Das heisst sie müssen korrupt sein und von den Fahrzeugen Geld für das Passieren abnehmen, sonst können sie ihre Pflicht nicht erfüllen und würden ihren Job verlieren. Das heisst eine Transportfirma rechnet für jeden Lastwagen und Strecke, welche gefahren werden muss, die Anzahl Checkpoints aus und gibt dem Fahrer das nötige Geld mit.

Die Gegend wurde zunehmend hügliger und die Höhenmeter summierten sich am Ende des Tages wieder ordentlich. Je weiter wir pedalten, desto mehr hohe Berge passierten wir und die Bergketten kamen näher.

Man könnte denken, dass uns mit der Zeit nichts mehr erstaunt in Afrika, aber wenn jemand einen Sarg hinten auf dem Motorrad transportiert, schauen sogar wir blöd. Eine andere nie endende Diskussion ist, wie viele Erwachsene Männer passen auf ein normales Motorrad? Zurzeit liegt der Rekord bei SECHS!

Mit mehreren Königen diskutierten wir über Religion, da die Nigerianer, wie die Ghanaer extrem religiös sind und ihre Interpretation der Bibel wörtlich nehmen. Obwohl die Christen im Süden selber Mitglieder von Sekten sind und dies dem Fanatismus wahrscheinlich ähnelt, schimpfen sie immer über die Muslime im Norden. Es seien doch alles Extremisten und gewisse Völker seien gewalttätig.

Das Thema Homosexualität kam ebenfalls zur Sprache und wir waren schockiert über die Meinungen dieser einflussreichen Personen. Sie sind sich sicher, dass man auswählen kann, welches Geschlecht man bevorzugt und von Bisexualität haben sie noch nie was gehört. Ausserdem denken diese frommen Christen Analsex sei etwas Verbotenes und nur für Homosexuelle. Anscheinend vermitteln die Afrikanischen Priester sogar, dass alle Homosexuellen insgeheim von einem Verein finanziert werden, um sich anders zu orientieren. Für uns logischerweise völlig absurd, aber dies einem langjährigen Christen zu erklären ist nicht die einfachste Aufgabe!

Ein König lud uns ein, bei sich zu übernachten, seine Frau verwöhnte uns kulinarisch und wir hatten interessante Gespräche über seine Position in der Gesellschaft. Er meinte in Bali, einer Stadt auf unserem Weg sei ein anderer König, der uns sicher gerne aufnehmen würde. Ausserdem fände die Krönung des neuen Königs statt und wir wären herzlich eingeladen daran teilzunehmen. Diese erfolgt, da der letzte König (sein Vater) gestorben ist und der neue König so offiziell an die Macht kommt.

In Bali angekommen, wurden wir in eines der Gästehäuser des Königs einquartiert und am nächsten Tag erschienen wir mit langen Kleidern bei Königspalast für die Krönungszeremonie. Bereits hunderte Schaulustige versammelten sich dort und gewisse geladene Gäste sassen bereits auf den weissen Plastikstühlen unter den von der Sonne schützenden Zelten. Schwitzend verfolgten wir die verschiedenen Darbietungen und horchten der traditionellen Musik.

Für unsere Augen war die ganze Vorstellung ein riesiges Chaos aus Tänzern, Musikern, Gästen, Polizisten, Militär, Bürgerwehr und Medienleuten. Wild durcheinander hörte man einmal den Moderator, die Musik oder gleich alles zusammen, aber Stille herrschte nie. Typisch Afrikanisch halt! Nicht offiziell eingeladene Stadtbewohner versuchten von Mauern, Bäumen oder vom Rand der Veranstaltung etwas vom Event des Jahres mitzubekommen.

Schlussendlich wurde dem neuen König nach Tradition sein Turban aufgesetzt, es wurden drei Schüsse in die Luft gefeuert und der ganze Spass war vorbei. Muslimische Könige tragen traditionellerweise einen Turban für offizielle Auftritte. Ein König muss nicht verheiratet sein, es wird jedoch empfohlen, damit er nicht herumschlafen kann. Nachdem wir ein Foto mit dem brandneuen König schiessen durften, fuhr die Königsfamilie ins Dorf des Neugekrönten, um die Feierlichkeiten ausklingen zu lassen.

Trotz Adrians abklingender Malaria fuhren wir weiter und nicht einmal die vielen Höhenmeter liessen uns allzu spät in Serti ankommen. Der dort regierende König bzw. Emir empfing uns grosszügigerweise gleich und offerierte uns kalte Getränke und ein leckeres Essen. Er bot uns an, bei den Gästehäusern des nahegelegenen Nationalparks zu campieren. Dank unserem Draht zum König, mussten wir natürlich nichts bezahlen dafür.

Die Angestellten des Königs verneigen sich immer vor ihm und sitzen jeweils am Boden, wenn sie sich im selben Raum befinden. Für uns galt eine Ausnahme und wir sassen auf Stühlen auf derselben Höhe. Ausserdem durften wir als einzige die Hand des Königs schütteln, was sonst ein absolutes Tabu ist.

Wir entschieden uns noch einen Ruhetag im ruhigen Gelände der Gästehäuser zu verbringen. Wir machten viele nette Bekanntschaften und hatten interessante Gespräche. Der persönliche Assistent des Emirs versorgte uns alle paar Stunden mit warmen Mahlzeiten und wir schauten uns das Besuchermuseum des Gashaka-Gumti Nationalparks an. Dieser ist mit 6731 km2 der grösste Nationalpark in Nigeria und verfügt durch sein vielfältiges Gelände über eine ausgezeichnete Biodiversität. Mit Glück kann man Löwen, Waldelefanten, Schimpansen, Leoparden und vieles mehr beobachten.

Bevor wir weiterfuhren, besuchten wir den Emir in seinem Palast und schossen Dutzende Fotos mit ihm und seinen Mitarbeitern. Beim Verabschieden drückte uns der Emir sogar noch Geld in die Hand für die Weiterfahrt. Dies fühlte sich irgendwie speziell an, als wären wir plötzlich in einer anderen Welt, da normalerweise alle uns um Geld bitten.

Nach einer kohlenhydrathaltigen Stärkung starteten wir den Aufstieg auf das Plateau, welches auf etwa 1800 m liegt. Dafür mussten wir auf etwa 15 km 1500 m bewältigen und wurden immer wieder mit schönen Blicken auf die umliegenden Berge belohnt. Ob Motorradfahrer, Auto oder Lastwagen, alle riefen uns motivierende Worte zu oder hupten mehrmals beim Vorbeifahren.

Oben angekommen, lag Grasland vor uns ohne jegliche Bäume und wir konnten seit langem wieder einmal Weitsicht geniessen.

Die frische Bergluft und das angenehme, kühle Klima erinnerte uns an Mitteleuropa und vor allem die Alpen. In dieser Region, dem Mambilla Plateau, gibt es fast keine Moskitos und die Bewohner sind somit von Malariaerkrankungen verschont.

Auch wenn wir das längste Stück des Anstiegs bereits gemeistert hatten, ging es nicht gerade flach weiter. Wir mussten mehrere steile Stücke hinter uns bringen und konnten nur während den Abfahrten durchatmen. Wenigstens wurden wir mit dem uns völlig neuen Landschaftsbild belohnt. Wir konnten friedlich wiehernde Pferdeherden auf riesigen Wiesen beobachten.

Bereits seit einigen Tagen hatten wir mehr Mühe mit den Einheimischen zu kommunizieren, da sie nicht gewohnt waren mit Ausländer Englisch zu sprechen. Somit verstanden sie uns sehr schlecht und wir brauchten viel Nerven etwas zu erklären. Obwohl Pidgin-Englisch die einzige gemeinsame Sprache in Nigeria ist, versteht man diesen starken Dialekt anfangs nur schlecht. Hier einige Kostproben:

Small small        Schritt für Schritt

Chop                   Essen

Late                     Tod, gestorben

How far?            Wie geht’s?

Specs                  Sonnenbrille

In Gembu, der letzten Stadt vor der Kamerunischen Grenze, stellte uns der dort herrschende König eine ganze Wohnung zur Verfügung und wir konnten zum ersten Mal seit Ewigkeiten beide in einem anderen Bett schlafen. Im Taraba State gibt es sechs Könige erster Klasse und von diesen haben wir vier persönlich kennengelernt, dies lässt sich auf jeden Fall sehen.

Korruption ist ein riesiges Problem in Nigeria und ist Teil in jedem Bereich der Gesellschaft. Beispielsweise sehen wir täglich wie Busfahrer, Autofahrer oder LKW-Fahrer an Strassensperren den Polizisten Geld zustecken. Alles völlig normal!

Auch über die politisch Einflussreichen beschwert sich praktisch jeder Nigerianer und die Hoffnung auf eine Besserung scheint zu schwinden. Die Regierungen pumpen das Geld direkt von den Ölfeldern in die privaten Bankkonten in der Schweiz. Leider werden wir viel auf diese Gelder der korrupten Afrikanischen Elite, die in der Schweiz ohne schlechtes Gewissen oder mit der Wimper zu zucken von unseren «Topbanken» gehortet werden. Im Jahre 2005 hat die Anti-Korruptionskommission publiziert, dass bereits über 352 Milliarden seit dem Start der Ölförderung gestohlen oder missbraucht wurden. Vier Mal so viel Geld wie die westlichen Hilfsprojekte in den letzten 40 Jahren in ganz Afrika investiert haben.

Der König in Gembu gehört dem Mambilla Volk an und somit ist es kein Problem, dass er eine muslimische Frau und eine Christin als Frau hat. Die christliche Prinzessin empfing uns und schenkte uns nach einem kurzen Gespräch Tee aus der Region und lokalen Honig.

Der sogenannte «Director of Protocol’s to His Majesty the paramount King of Mambilla plateau» brachte uns Frühstück, welches die liebenswürdige zweite Frau des Königs für uns zubereitete. Danach fuhren wir mit unserer Eskorte in Form des persönlichen Fahrers des Königs inklusive Motorrad hinaus aus der hügligen Stadt.

Immer wieder wartete der ruhige, kräftige Mann auf uns und erzählte uns etwas über die Region. An jeder Wegsperre oder Polizeikontrolle konnten wir einfach durchfahren, da wir ja im Auftrag des Königs unterwegs waren und somit niemand etwas zu melden hatte. Viele der Sperren wurden von Jugendlichen errichtet, welche die Piste mit Schaufel repariert hatten und so etwas Geld verdienen können.

An einem Fluss angekommen, konnten wir den ersten Teil durch das Wasser gehen und für den zweiten Teil bestiegen wir ein Kanu. Auf der anderen Seite sahen wir überladene, alte Militärlastwagen, welche Reis aus Kamerun brachten. Der Weg auf dem wir unterwegs waren, wird als Schmuggelpfad gebraucht, um günstiges Benzin nach Kamerun zu transportieren, um mit Reis wieder zurückzukommen. Dieses Geschäft ist sehr lukrativ, trotz all den Schmiergeldern die einem auf dem Weg abgezwackt werden. Für uns war das nicht zu glauben, dass diese Lastwagen den extrem steilen Hang, den wir gerade knapp mit unseren Fahrrädern runterkamen, vollbeladen hochfahren sollen.

Generell könnte man den gesamten Tag unter dem Motto: «Das ist Afrika» abstempeln, da wir so viele Szenen und Begegnungen hatten, welche man nur auf diesem Kontinent erleben kann. Ausserdem hatten wir Glück, dass es schon länger nicht geregnet hatte, sonst wäre dieses Unterfangen sicher ins Wasser gefallen.

Zwei, drei längere Anstiege waren derart steil, dass wir unsere Fahrräder schieben mussten und sogar damit hatten wir Mühe. Bei den extrem steilen Abfahrten hatte Adrian eine zusätzliche Herausforderung, da seine Vorderbremse seit einiger Zeit streikt.

Unser Begleiter erzählte stolz von seinen zehn Kindern von zwei Frauen. So erstaunt es natürlich wenig, wenn die Bevölkerung Nigerias bereits die 200 Millionen Marke überschritten hat und sich die Population etwa alle 40 Jahre verdoppelt. Somit ist ungefähr jeder fünfte Afrikaner aus Nigeria. Ausserdem besitzt Nigeria nur 15% der Fläche Westafrikas, aber jeder zweite Mensch ist aus diesem riesigen Land.

Am Grenzort Dorofi angekommen wurden wir dem Dorfhäuptling übergeben und dieser organisierte ein Zimmer im heruntergekommenen dreistöckigen Hotel. Selten waren wir so müde nach «nur» 40 km und somit war es einer der anstrengendsten Tage überhaupt.

Nachdem uns das Frühstück ans Bett gebracht wurde und mehrere Leute nach unserem Befinden gefragt hatten, packten wir unser Material zusammen. Interessanterweise realisierte der Hotelmanager, dass eine saubere Unterkunft eher Gäste anzieht und beauftragte einige Jungs alle Gänge und Zimmer zu putzen.

Mit dem Dorfchef als Eskorte fuhren wir zur Grenze, wo sie uns nach längerer Suche des richtigen Stempels offiziell aus Nigeria verabschiedeten.

Auch wenn wir ein negatives Erlebnis hatten, würden wir auf jeden Fall wieder durch Nigeria fahren. Die positiven Erlebnisse und Begegnungen überwogen definitiv und Nigeria ist bisher sicher eines unserer Lieblingsländer in Afrika. Dieses gigantische Land bot uns eine willkommene landschaftliche, wie auch eine kulturelle und die Mentalität betreffende Abwechslung. Nach über neun Monaten verliessen wir somit Westafrika und betraten mit Kamerun das erste Land in Zentralafrika.

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