Nordliberia-Grenze Elfenbeinküste

(Last Updated On: August 3, 2019)

11. Juli – 19. Juli 2019:

Von ein paar Dorfbewohner erfuhren wir von der schrecklichen Zeit während des langen Bürgerkrieges. Die Regierung brannte alle Häuser skrupellos nieder und viele Liberianer flohen in die Nachbarländer oder in den Busch. Im Busch mussten sich die verscheuchten Leute von irgendwelchen Wurzeln oder wildwachsenden Früchten ernähren.

Glücklicherweise planierten die Chinesen letztes Jahr einen Teil der Strassen und dadurch kamen wir einigermassen vorwärts. Die eine Hauptverkehrsachse war im letzten Jahr während zwei Wochen unterbrochen und dadurch entstanden Lieferengpässe für Nahrungsmittel.

Nachdem wir einen bis zum Rand gefüllten Strom überquert hatten, fuhren wir an ein paar schlammigen Stellen vorbei und sahen plötzlich eine riesige Schlange Lastwagen vor uns stehen. Wir wussten sofort, dass hier die Strasse in einem unpassierbaren Zustand sein musste. In Wirklichkeit sammelten sich die ganzen Lastwagen in diesem Dorf, da sich zwei Lastwagen je auf einer Seite über einen Meter tief festgefahren hatten. Diese auszubuddeln stellte für unser Auge ein Ding der Unmöglichkeit dar, für Afrikaner eine leichte Schwierigkeit und eine Frage der Zeit. Der eine vollbeladene Lastwagen war bereits seit einer Woche im Loch und sogar bereits um die zwei Meter tief eingegraben. Für alle anderen Verkehrsteilnehmer gab es Alternativrouten durch das Dorf, an welchen die Einheimischen Barrieren errichteten und Mautgebühren einkassierten.

Vor einer Woche brach bei Adrian Malaria aus und es wurde empfohlen eine Nachprüfung vorzunehmen, um zu sehen ob man noch Spuren der Infektion im Blut sieht. Bei einem grösseren Ort fanden wir tatsächlich eine Klinik und wurden registriert, hatten ein Gespräch mit dem Arzt, absolvierten den Bluttest und bekamen nach einem weiteren Gespräch mit dem Arzt die Medikamente. Dies dauerte etwa zwei Stunden. Derselbe Test dauerte in der Apotheke ungefähr fünf Minuten. Wenigstens kostete die ganze Sache nichts, da alle Dienstleistungen in dieser Klinik gratis sind. Schlussendlich ergab der Test, dass das Blut immer noch Malariaerreger enthielt und eine weitere Behandlung notwendig war.

Die neuerdings staubige anstatt schlammige, mit Löchern überfüllte Strasse führte uns durch unbewohnten Wald und die abgelegene Region war extrem dünn besiedelt. Alle paar Kilometer kam wieder ein grösserer Ort. Zum Teil erschraken wir fast beim Anblick der grossen Orte, da wir so etwas überhaupt nicht erwarteten.

Zwedru war eine der letzten grösseren Städte in Liberia. Eine freundliche Frau bot uns nach längerer Fragerei ein Zimmer in ihrem Haus an. Wir erwarteten zwar, es sei nicht weit vom Zentrum, doch dies machte die Offerte nicht weniger herzerwärmend. Die korpulente Maiskolbenverkäuferin zeigte uns stolz das bescheidene Zimmer und wir genossen ein weiteres Mal die unendliche Gastfreundschaft.

Vor der Weiterfahrt wurden wir von der süssen Familie lecker bekocht und verliessen danach zusammen das Haus. Die Tochter hatte ihr Abschlussfest des Schuljahres und musste weinen als wir uns verabschiedeten.

Die nasse Piste konnten wir zwar gut befahren, aber trotzdem bekamen wir viele Schläge ab und unserer Fahrräder litten weiterhin. Die Strasse zog durch dichten Dschungel und wies mehr und mehr Steigungen auf, welche unsere müden Beine alles abverlangten. Schlussendlich fuhren wir in ein heftiges Gewitter und erreichten ein kleines Dorf klitschnass. Da der Regen nicht wirklich nachliess, entschieden wir uns in diesem Dorf zu bleiben. Die anwesenden Männer waren bereits in Feierabendstimmung und tranken ultrastarken, selbstgebrannten Zuckerrohrschnaps.

Der sehr kleingewachsene Dorfhäuptling und seine grosse Familie zeigten uns ihre Reisfelder mitten im Wald und vor der Abfahrt gab es ein traditionelles Reisgericht.

Wir hatten beide schwere Beine von den Strapazen der letzten Tage, darum entschieden wir uns in einem grösseren Dorf zu übernachten. Bei Adrian kam noch dazu, dass er sich nie richtig von seiner ersten Malariaerkrankung erholen konnte und dadurch zusätzlich geschwächt war.

Nach einer etwas langgezogenen Suche nach dem Dorfoberhaupt, erhielten wir nach etwa drei Stunden ein Zimmer zugeteilt. Der 59-jährige hat neun Kinder und sagte offen und ehrlich er sei leider nur Bauer und könne nicht lesen und schreiben. Bis jetzt war er sicher das konservativste und ungebildetste Dorfoberhaupt. Allerdings zelebrierte er die Tradition, Kolanüsse mit seinen Gästen zu teilen, bevor sie offiziell im Dorf willkommen sind. Von diesem Ritual hatten wir bis anhin nur gehört.

Während wir nur im lebendigen Dorf herumliefen, um uns zu verpflegen, kamen wir immer wieder mit mehreren interessierten Liberianer ins Gespräch. Sie wollten immer zuerst wissen woher wir kommen und wohin wir fahren. Vielfach sind diese Unterhaltungen trotz der englischen Sprache eher mühsam, da die Logik und die Ausdrucksweise sehr unterschiedlich sein können. Aus diesem Grund ziehen wir uns vielfach zurück, um uns von den Strapazen zu erholen und die sich wiederholenden Gesprächen zu vermeiden.

Vielfach kommt eine Unterhaltung auf das Thema Politik zu sprechen und die Leute sind erstaunlich gut informiert und sprechen extrem offen über die aktuelle Lage des Landes. Liberia hat eine interessante und äusserst traurige Entstehungsgeschichte. Als die Sklaverei in den USA abgeschafft wurde, dachten sich die Amerikaner, es sei eine gute Idee diese Ex-Sklaven nach Liberia zu verschiffen. Was uns extrem erstaunte war, dass diese Ex-Sklaven die Ureinwohner des neu gegründeten Liberias versklavten und somit inoffiziell eine Kolonie der USA gründeten. Obwohl Liberia meistens als eines der einzigen niemals kolonisierten Länder gezählt wird, ist dies bei genauerer Betrachtung natürlich nicht der Fall.

Ebenfalls ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Landes ist der blutige 14-jährige Bürgerkrieg der erst seit etwas mehr als zehn Jahren offiziell beendet wurde. Viele Kindersoldaten kämpften diesen Krieg gezwungenermassen unter Drogeneinfluss. Jeder zehnte Minderjährige war 15 Jahre alt oder sogar jünger.

Im Jahre 2006 wurde Ellen Johnson Sirleaf als erste weibliche Präsidentin im modernen Afrikas gewählt und konnte viele Verbesserungen bewirken in ihrer Amtszeit. Bereits als wir die Grenze nach Liberia überquerten, bemerkten wir die vielen stolzen Beamtinnen und Polizistinnen, was höchstwahrscheinlich auf die Präsidentin zurückzuführen ist.

Wir verliessen das kleine Dorf wieder, obwohl Adrian immer noch über schwere Beine klagte. Wenigstens wurde das Terrain durch den dichten, feuchten Wald ein wenig flacher und liess und darum mehr Kilometer zurücklegen als die letzten Tage.

Kurz nach Fishtown kam tatsächlich die Asphaltstrasse von der wir seit längerem gehört hatten und wir genossen die sanftere Fahrweise im Vergleich zu den holprigen Pisten der letzten Tage. Am Abend wurden wir herzlich von einer Grossfamilie aufgenommen und bekocht. Nach dem leckeren Abendessen kam die Idee auf, wir müssten unbedingt ein afrikanisches Hühnchen und Palmwein probieren. Also wurde kurzerhand ein Huhn geschlachtet und frischer Palmwein organisiert. Von einer Glühwürmchen-Disco begleitet, hatten wir interessante Gespräche bis das vorher noch herumgackernde Huhn fertiggekocht war.

Ausgerüstet mit fünf Kokosnüssen und einer bereichernden Begegnung mehr, verliessen wir die zuvorkommende Familie wieder. Kaum hatten wir uns an die Asphaltstrasse gewohnt, kam wieder ein Teil der Strasse, wo die Chinesische Strassenbaufirma noch beschäftigt war und wir ordentlich durchgeschüttelt wurden. Das Bild ist immer dasselbe: Ein Chinese mit Bauhelm steht irgendwo auf einer Erhöhung und schaut den Afrikaner bei der Arbeit zu.

Mehrfach sahen wir viele Frauen, welche schwer beladen mit 20 Liter Wasserkanister oder riesigen Holzbündel auf dem Kopf uns entgegenkamen. Einen Teenager der eine Machete in der Hand trug, wollten wir fragen, ob er uns die Kokosnüsse öffnen kann. Leider hatte er so Angst vor uns, dass er sich so schnell er konnte aus dem Staub machte.

Bei einem grösseren Ort wollten wir etwas essen und fragten herum, ob es irgendwo eine Frau gibt die für die Allgemeinheit kocht. Überraschenderweise war alles ausverkauft. Zum Glück half uns eine Frau aus und wir kriegten zwei Mahlzeiten und sie akzeptierte nicht einmal Geld dafür. Die zweite Mahlzeit assen wir typisch afrikanisch zusammen mit sechs anderen Leuten aus einem riesigen Topf.

Bereits gestern hatte Adrian ein grösseres Problem an seinem Fahrrad entdeckt und hatte Schwierigkeiten überhaupt noch weiterzufahren. Das Kettenspannrädchen war derart abgenutzt, dass die Kette im Schaltwerk nicht mehr schön geführt wird und somit den ganzen Schaltvorgang erschwerte. Ebenfalls drehte die Kette beim Tretlager durch und bei steileren Anstiegen war es unmöglich vorwärts zu kommen. Schlussendlich konnten wir das Problem überbrücken indem wir eine alte Kette montierten die weniger lang im Einsatz war. Das nächste Problem das auftauchte war die Schaltung. Vermutlich vom ganzen Schlamm der letzten Tage wurden die Schaltkomponenten so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass wir es mit unserem Anfängerwissen nicht reparieren konnten. Der Plan ist mit einem fixen Gang in die über 500 km entfernten Grossstadt Abidjan der Elfenbeinküste zu kommen und dort nach einem Fahrradmechaniker Ausschau zu halten.

In der Apotheke fanden wir den Grund heraus für unsere Schwäche der vergangenen Tage. Der Malariatest war bei Adrian immer noch eindeutig positiv und bei Fabian zeigte er noch eine schwache Infektion an. Mit einem neuen Wirkstoff versuchen wir in der nächsten Woche die Parasiten definitiv aus dem Körper zu entfernen.

Gestärkt mit Kochbananen und gestampftem Maniok mit viel Zwiebeln und Chili fuhren wir mit konstanter Geschwindigkeit in Richtung Grenze. In Liberia haben wir immer wieder lustige Ortsnamen gesehen und heute kam mit «Old Lady Town» wieder ein neuer Favorit dazu.

Auf der Liberianischen Grenze waren die freundlichen, nicht wirklich ernst zu nehmenden Grenzbeamten guter Laune und kauften uns sogar unsere SIM-Karte ab. Somit liessen wir ein sehr spannendes Land mit extrem offenen und gastfreundlichen Leuten zurück. Die vielen schönen Bekanntschaften, vor allem im Südosten des Landes, werden wir so schnell nicht vergessen.

Nach der Überquerung des Grenzflusses mit einer Fähre, bemerkten wir sofort, dass die Bewohner der Elfenbeinküste einen höheren Lebensstandard haben und somit auch die Männer am Grenzposten professioneller arbeiteten. Schlussendlich fragten die gut gebauten Männer trotzdem nach unserem Facebook Kontakt und wir merkten, dass wir immer noch in Afrika waren.

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