2. März – 11. März 2020:
Nach einem erneuten Besuch beim selben Zahnarzt, waren die Schmerzen mehr oder weniger weg. Er schliff ein wenig von der eingesetzten Masse ab, damit beim Zusammenbeissen die Zähnepaare besser aufeinander passten.
Danach fuhren wir in Richtung Berge, denn es erwartete uns ein Höhengewinn von etwa 1800m auf den nächsten 350km. Die letzten Tage sind wir ziemlich direkt südlich gefahren, aber nun führte uns die Strasse wieder weg von der Küste ins Inland (Gefahrene Route). Zu Beginn war die Landschaft wüstenartig und extrem trocken. Bald zierten stachelige Büsche die Landschaft und der Wind wurde stärker. Nach einer längeren Abfahrt konnten wir vom Wind profitieren und kamen effizient vorwärts.
Felsige Berge umringten uns und die Gegend wurde immer grüner und somit waren immer mehr Bäume rechts und links von der Strasse zu sehen. Viele Rinder- und Ziegenherden liefen neben der Strasse, angetrieben von Kinderhirten. An vielen Orten wurde mit Zucker versetzte Milch in grossen Plastikflaschen verkauft.
Eine Frau, welche einen kleinen Ramschladen führte, verstand unser Bedürfnis und füllte unseren Topf mit einem aufgewärmten Gericht. Nachdem wir eine Umfahrung aus Faulheit nicht nahmen, mussten wir unsere Fahrräder über eine eingestürtzte Brücke tragen.
Die Distanzen zwischen den Städten sind in Angola meistens um die 60km oder mehr. Somit mussten wir uns jeweils gut überlegen wie viel wir essen wollten bzw. welche Snacks wir auf den Weg mitnahmen. An der Strasse verkauften die Frauen nur Milch, Kohlesäcke oder riesige gebratene Fleischstücke.
Obwohl Angola nach Südafrika und Nigeria die drittgrösste Volkswirtschaft in Subsahara-Afrika hat, leben ein grosser Teil der Bevölkerung in Armut. Vor allem in den Dörfern leben die Leute einfach und bauen ihre Hütten aus Naturmaterialien.
Nach einer ruhigen Nacht nahmen wir die steilen Hügel wieder in Angriff und holten schon bald Henk ein. Beeindruckend wie er dieselben Distanzen fuhr in seinem Alter. Immerhin absolvierten wir die letzten zwei Tage je 120km mit vielen Höhenmetern!
Nachdem wir eine Höhe von über 1500m erreichten, wurde das Terrain wieder flacher und grosse Maisfelder lösten die sporadischen Rohrzuckerplantagen ab. Plötzlich hupte ein Allradfahrzeug mehrmals und zwei Jungs winkten uns lachend zu. Die zwei Rumänen waren im Februar zuhause losgefahren und möchten in total 45 Tagen in Kapstadt ankommen. Nach einer kurzen Unterhaltung bekamen wir sogar noch leckere Würste aus Rumänien geschenkt.
In den letzten Nächten waren unsere Schlafsäcke seit langem wiedermal praktisch. Die Luft war morgens noch angenehm frisch und generell viel trockner als noch die letzten Wochen. Schnell erreichten wir Lubango und somit die letzte Grossstadt vor der namibischen Grenze.
Eigentlich hatten wir einen Angolaner der uns über Couchsurfing bei sich aufnehmen wollte, aber leider hat der weltweit für Aufregung sorgende Virus ihn eingeschüchtert und somit wollte er keine zusätzlichen Leute in seinem Zuhause. Mario empfahl uns bei einer Englischschule vorbeizugehen, um dort eventuell jemanden zu finden der uns für ein paar Nächte aufnehmen möchte. Prompt lernten wir den Sohn des Gründers der Schule kennen und dieser meinte wir könnten gerne bei seiner Mutter unterkommen. Ein wenig abseits der Stadt wurden wir herzlich von Janet empfangen und bekamen sogar unser eigenes Zimmer mit Bett.
Ein Highlight Angolas ist der Leba Pass, der ein wenig ausserhalb der Stadt über 1000m abfällt. Die Strasse enthält mehrere Haarnadelkurven und erinnerte uns an einen Schweizer Bergpass. Die Aussicht und die imposanten Klippen beeindruckten uns sofort. Auf dem Hinweg zeigte uns ein Freund von Janet ein modernes Spital, welches von der katholischen Kirche unterstützt wird. Es war überhaupt kein Problem per Autostopp zum Pass zu kommen und wieder zurück in die Stadt.
Am Abend wurden wir von der Missionarsgemeinschaft, welche grösstenteils im Spital arbeitet, zu einem geselligen Abendessen eingeladen. Wir standen natürlich im Mittelpunkt, da uns noch niemand kannte und alle unsere Reise interessierte.
Der 82-jährige Onkel Steve versprach uns den Aussichtspunkt „Tundavala“ zu zeigen. Der energetische und immer noch aktive Augenchirurg holte uns mit seinem klapprigen Jeep ab und fuhr uns zu der imposanten Felswand. Ausserdem war Gordon, ein Kanadischer Zahnarzt dabei. Die abfallenden Klippen und die Weitsicht war definitiv ein Highlight unserer Reise. Bei der Rückfahrt schauten wir uns einen Wasserfall an und eine Schweizer Käserei. Gordon, der vor vielen Jahren selber Europa mit dem Fahrrad bereiste, kaufte uns einen Käse und eine Wurst.
Das riesige Haus, in welches Janet seit zwanzig Jahren ihre Energie investiert, ist zwar noch nicht fertig gebaut, aber die Aussicht ist definitiv einzigartig. Mit viel Liebe zum Detail hat die talentierte Frau beispielsweise den Boden verziert.
Nach einem ausgiebigen Frühstück inklusive Tilsiterkäse, verliessen wir die Stadt und näherten uns der Grenze zu Namibia. Tendenziell verloren wir an Höhe und kamen trotz heftigem Wind gut vorwärts.
Langsam verschwanden die Berge und nur noch ab und zu tauchten Felsformationen auf. In einer Bar durften wir die mitgebrachten Spaghetti kochen und ein angetrunkener Mitarbeiter half uns dabei. Die heiteren Männer und Frauen freuten sich über unsere Anwesenheit, aber leider war die Kommunikation extrem schwierig, da wir auch nach fast einem Monat noch nicht viele Wörter auf Portugiesisch kannten.
Zu unserer Überraschung fuhren wir an vielen Granitabbaustellen vorbei. Die Hügel verschwanden zunehmend und immer mehr Hirten beobachteten ihre Tiere. Meistens waren es Kinder in zerrissenen Klamotten und schmutzigen Gesichtern.
Plötzlich sahen wir von Weitem einen Fahrradfahrer entgegenkommen. Wir wussten bereits, dass es sich um Francis aus Belgien handelte, da wir mit ihm schon länger im Kontakt waren. Der sympathische und sprachaffine Abenteurer startete vor über 2.5 Jahren und bereiste bereits Asien, Australien und Ostafrika mit dem Fahrrad.
Während Fabian seinen Platten Vorderreifen reparierte, kaufte Adrian eine Wassermelone von einer vorbeigehenden Frau. Kurz darauf kam eine junge Frau und interessierte sich für uns. Wir finden das jeweils sehr mutig, dass die jungen Afrikaner sich zu uns gesellen und Fragen stellen.
Aufgrund der vielen Niederschläge, sind vor etwa einer Woche alle Flüsse über die Ufer getreten und viele Dörfer und Wiesen standen unter Wasser. Letztes Jahr gab es überhaupt keinen Regen und dieses Jahr folgte eine Überschwemmung. Die schlechten Häuser, welche aus Holz, Dreck oder Wellblech gebaut wurden, sind definitiv nicht für solche Wassermassen konstruiert.
Eine Freundin von Janet lud uns ein bei ihr zu übernachten in der Grenzstadt zu Namibia. Jackie, eine ausgewanderte Engländerin, erzählte uns von dem 30-jährigen Bürgerkrieg und den Schwierigkeiten im Angolanischen Alltag. Bereits auf dem Weg sahen wir viele verrostete Panzer und Militärfahrzeuge aus dieser Zeit.
Jackie und ihr Mann Tomas offerierten uns sogar je ein Hotelzimmer mit Abendessen und Frühstück. Wir waren völlig überrascht und genossen den unerwarteten Luxus in vollen Zügen.
Nach einer erholsamen Nacht im klimatisierten Zimmer, verabschiedeten wir uns vom zuvorkommenden Pärchen und pedalten in Richtung Grenze. An der Grenze kauften wir viele Snacks mit unserem Restgeld und holten uns den Ausreisestempel.