29. Juli – 8. August 2019:
Seit wir Westafrika betreten haben, fällt uns auf, dass nie jemand Wechselgeld hat und man immer mit der kleinstmöglichen Banknote bezahlen sollte. Zum Teil wartet man gut und gerne eine halbe Stunde auf das Wechselgeld. Die Marktfrauen schicken dann eines ihrer Kinder, welches von Marktstand zu Marktstand rennt und versucht Kleingeld zu bekommen. In der Elfenbeinküste wurde dieses Geldphänomen noch schlimmer und wir fanden heraus, dass es auch einen Grund gibt. Bis anhin war der Grund, dass die Leute das Geld sofort wieder ausgeben, sobald sie etwas verdienen. In der Elfenbeinküste ist die Währung CFA-Franc, welche ausserdem in Senegal, Guinea-Bissau, Mali, Burkina Faso, Togo, Benin und Niger verwendet wird. Das Problem hier ist, dass es nicht genügend Münzen gibt und dadurch der Marktwert den Realwert übersteigt. Somit werden illegal Münzen aus den anderen Ländern importiert, um hier getauscht zu werden. Aus diesem Grund rücken die Leute ungerne ihre wertvollen Münzen heraus und somit entsteht das Problem des Wechselgeldes.
Abidjan ist mit fast vier Millionen Einwohner die grösste Stadt des Landes und liegt am Golf von Guinea. Seit langem konnten wir wieder Produkte wie Joghurt, Müsli oder frisches Brot zu einem erschwinglichen Preis einkaufen. In den reicheren Vierteln gibt es fast an jeder Strasse eine «boulangerie» (Bäckerei) oder «pâtisserie» (Konditorei) mit köstlichem Brot und Süssgebäcken. Unsere Unterkunft bei Nicolas liegt im Stadtteil Cocody und gehört zu den vornehmeren Gegenden der Stadt. Es gibt fliessendes, heisses Wasser, Elektrizität und Internet. Alles Dinge die wir seit fast einem Monat nicht mehr gesehen hatten.
Zuoberst auf unserer to-do Liste stand die Organisation des Ghana Visum. Nachdem wir alle nötigen Unterlagen organisierten (2 Passfotos, 2 Antragsformulare und 2 Farbkopien der letzten Visa) fuhren wir zur Botschaft. Nach der ausführlichen Sicherheitskontrolle, teilte uns die unfreundliche Dame am Schalter mit, dass unsere Antragsformulare in schlechter Qualität sind und wir diese nochmals ausfüllen müssen. Zugegen, unser Ausdruck in grellem Grün war nicht gerade schön, aber es erfüllte nach unserer Meinung den Zweck. Glücklicherweise nahm sie alle Unterlagen entgegen und fragte nicht nach einer Residenzkarte, welche man eigentlich für den Antrag bräuchte. Nach drei Tagen konnten wir den Pass mit dem nächsten Visum entgegennehmen.
Sport 3 ist ein Fahrradladen mit europäischen Teilen und die Mechaniker wissen was sie tun. Mit Hilfe von Nicolas erklärten wir ihnen alle unsere Probleme und er meinte sogar die Reparatur von Adrians Fahrrad sollte kein Problem darstellen. Schlussendlich reinigten sie unsere mit Schlamm beladenen Fahrräder, tauschten bei Adrian die Kette, Kassette, Kettenspannrädchen, Kettenführungsrädchen und das Tretlager aus. Ebenfalls bekamen wir beide neue Bremsbeläge und zahlten nicht einmal 20 Euro dafür. Nach einer Woche konnten wir unsere geliebten Zweiräder wieder abholen und bedankten uns bei den motivierten und interessierten Mechanikern.
An Nicos letzten Abend in Afrika für eine Weile, trafen wir uns auf ein Bier und diskutierten über unsere Erlebnisse in Westafrika. Schon interessant wie wir meistens dieselben Ansichten teilen, obwohl wir nicht lange zusammen unterwegs waren.
Wir waren sehr froh, endlich alle unsere Klamotten mit einer Waschmaschine waschen zu können, anstatt von Hand mit kaltem Wasser. Sogar unser schmutziges und blutverschmiertes Moskitonetz wuschen wir zum ersten Mal.
Das Nigeria Visum bereitet uns schon länger Sorgen, da es fast unmöglich ist, dieses zu bekommen. Wir versuchen unser Glück im Plateau, dem Geschäftsviertel der Stadt. Relativ schnell merkten wir, dass wir keine Chance haben und es entweder online oder in einem anderen Land nochmals versuchen müssen. In Abidjan ist es nur mit einer Residenzkarte möglich. Um eine solche zu bekommen, muss man mindesten zwölf Monate in der Elfenbeinküste wohnhaft sein.
Nicolas Freundin und Putzfrau kochte mit ihrer Freundin ein Einheimisches Gericht namens Gouagouassou und wir assen zur Überraschung der zwei zurückhaltenden Ivorerinnen mit den Händen aus demselben Teller. Das Gericht enthielt eine scharfe Sauce, grillierten Fisch und eine Menge Reis.
An den meisten Abenden nutzen wir den Luxus des Projektors von Nicolas und schauten einige Filme, welche Afrika thematisieren oder Schauspieler mit Wurzeln aus Afrika.
Vor der Abreise impften wir uns für alle möglichen Sachen wie Gelbfieber, Hepatitis, Meningitis, Starkrampf, Tollwut etc. Da gewisse Impfungen nach einem Jahr erfrischt werden müssen, suchten wir ein Impfzentrum auf, um unsere vierte und letzte Tollwutimpfung zu bekommen. Der Sicherheitsbeauftrage am Eingang meinte aufgrund des kommenden Feiertages sei es an diesem Tag nicht mehr möglich. Wir glaubten ihm nicht und fanden kurz darauf den entsprechenden Arzt der uns innerhalb von 15 Minuten die Impfung verpasste. In Afrika ist alles irgendwie möglich!
Endlich konnten wir auch behaupten Malariafrei zu sein. Wir absolvierten beiden einen Schnelltest und das Resultat war zweimal negativ, somit sind wir froh weiterhin eine Medikamentenpause zu haben.
Am 7. August 1960 wurde die Elfenbeinküste unabhängig von Frankreich. Aufgrund der Fahrradreparaturen waren wir unplanmässig immer noch in der Stadt und wollten die Parade sehen. Alle Leute die wir jedoch fragten, hatten keine Ahnung wann und wo die stattfindet. Angeblich interessiert es die Leute auch nur mässig. Schlussendlich entschieden wir uns ins Zentrum zu fahren und das Ganze anzuschauen. Um sicher zu gehen, dass wir nicht umsonst die relativ weite Strecke auf uns nehmen, fragten wir bei einer Bar ein paar Einheimische wo wir denn hinsollten. Eine Gruppe Männer mit bunten Fussballtrikots erklärte uns die Militärparade sei bereits vorbei und alle Leute feiern, wie sie selber auch, in kleinen Gruppen in einer Bar. Als sie unsere enttäuschten Gesichter sahen, meinten sie, wir sollen doch mit ihnen feiern und bestellten sofort ein Bier für uns. Die Männer im mittleren Alter treffen sich regelmässig um Fussball zu spielen und ziehen danach von Bar zu Bar, bis sie keine Lust mehr haben. Schon nach einigen Minuten schenkte einer der Männer Adrian seine traditionelle Kopfbedeckung, die er natürlich den ganzen Tag stolz trug. Bereits in der zweiten Bar wurde fleissig getanzt und es wurde uns zu jeder Musikrichtung der zugehörige Tanzstil gezeigt. Wir genossen die offene Art und hatten trotz Sprachbarriere interessante Gespräche. In der dritten Bar hatten wir alle bereits einen ordentlichen Pegel und die Flaschen leerten sich nicht mehr so schnell wie zu Beginn. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit verabschiedeten wir uns von der lustigen Truppe. Hermann schenkte uns zum Abschluss je ein Trikot der Nationalmannschaft. Wir bedanken uns mehrmals und freuten uns extrem über das schöne Geschenk, da uns die Farben des T-Shirts seit dem ersten Anblick sehr gefiel.
Vor ein paar Wochen haben wir in einer für Westafrika spezifischen Facebook-Gruppe eine Nachricht veröffentlich, dass wir jemand suchen der uns aus Europa ein paar Dinge nach Abidjan bringen konnte. Tatsächlich meldete sich Gian, ein Schweizer, der anfangs August in die Elfenbeinküste fliegt und konnte uns grosszügigerweise ein paar Sachen mitnehmen.
Seit einigen Wochen hatten wir Problem mit den Reissverschlüssen an unserem Zelt. Da wir beide Eingänge in den letzten Tagen nur nach mehreren Versuchen schliessen konnten, ersetzten wir diese und suchten einen Näher auf. Praktischerweise findet man in einer afrikanischen Stadt alles was das Herz begehrt in einem Radius von 500 Metern. Kaum auf der Strasse hörten wir eine Schere klimpern und wussten was das bedeutete. Der junge Mann aus dem Niger läuft jeden Tag der Woche stundenlang durch die Quartiere und flickt Kleider. Im Nu flickte er die Löcher, die durch den Ersatz entstanden sind und hatte sogar einen farblich passenden Faden zur Hand.